Die Bundes-Tierärzte-Kammer (BTK) veröffentlichte am 24.09.2016 eine Stellungnahme zum Thema „Tiere im Zirkus“.
03.10.2016 Gastartikel Jürgen Friedrich
Der Zeitpunkt der Stellungnahme ist etwas überraschend, da der Bundesrat erst im März eine rechtlich nicht verbindliche Entschließung zu diesem Thema an die Bundesregierung richtete und diese bislang noch nicht darauf einging.
In der Stellungnahme der BTK ist der Ton eindeutig besinnlicher als noch in der Pressemitteilung von 2010:
Es ist zwar die Rede von „systemimmanente Probleme mit der Haltung bestimmter Tierarten“ – insbesondere klimatische Anforderungen sowie Anforderungen beim Transport – aber von einer expliziten Forderungen nach radikalen nationalen Verboten ist nicht (mehr) die Rede.
Man führt beispielsweise an, dass – aufgrund ihrer anatomischen Besonderheiten – der Transport von Giraffen „sehr anspruchsvoll und mit großen Belastungen für die Tiere verbunden“ wäre. Wie so ein Transport mit Giraffen ausschaut, kann man übrigens hier sehen (ca. 6 Minuten).
Die BTK meint auch, dass Anforderungen an bestimmte Umweltgegebenheiten, z.B. für die Haltung von semiaquatischen Tieren, unter den Bedingung eines reisenden Unternehmens „kaum im gebotenen Maß zu erfüllen“ sei – Wobei sich hier nun aber die Frage stellt, was sich die BTK überhaupt konkret unter einem „gebotenen Maß“ vorstellt. Auch, ob und wie man den “systemimmanenten Problemen” grundsätzlich wirksam begegnen könne oder nicht, bleibt offen.
Selbstredend ist es wichtig, dass man – auch von Seiten der BTK – vorhandene Probleme aufführt
und konstruktive Kritik übt, damit sich evtl. Missstände ausmerzen lassen (allgemeines Stigmatisieren als „Tierquäler/ei“ sowie vereinzelte, kommunale Verbote sind im Übrigen rein destruktiv und für die Betroffenen stets aufs Neue diskriminierend), aber di Forderung nach einem Verbot kam in der Stellungnahme nirgends zur Sprache – lediglich im letzten Satz heißt es, Zitat:
Die BTK bekräftigt, dass eine Tierhaltung, bei der die notwendigen Haltungsanforderungen nicht gewährleistet werden können, ohnehin verboten ist, unabhängig davon, ob es sich um domestizierte oder Wildtiere handelt.
Nun gilt es nur noch herauszufinden, was genau die BTK unter „notwendigen Haltungsanforderungen“ definiert. Jene Mindestanforderungen, wie sie bereits in den Zirkusleitlinien festgehalten wurden und wonach sich auch die jeweils kontrollierenden Veterinärämter richten? Oder sind es völlig andere Vorstellungen, weshalb dann vllt. sogar auch Zoos und ähnliche Einrichtungen radikal verboten werden (müssten)?
Fazit:
„Tiere im Zirkus“ sind hiernach also in soweit „ok“, WENN die jeweiligen Bedingungen stimmen, was ja durch die häufigen Kontrollen durch die jeweils zuständigen Veterinärämter geprüft wird – Ein pauschales, nationales Verbot von konkreten Tierarten im Zirkus scheint somit also nicht (mehr) von der BTK gefordert zu werden.
Ergänzung:
Bezüglich “systemimmanente Probleme” in Verbindung mit “Anforderungen beim Transport” möchte ich noch auf eine wissenschaftliche Untersuchung verweisen, die im 4. Quartal 2013 veröffentlicht wurde: “Können sich Löwen an die Haltungsbedingungen von Zoo und Zirkus anpassen?” (Birmelin, Albonetti, Bammert). Video dazu – ca. 7 Minuten.
Dabei haben die Wissenschaftler die Tiere nicht nur in unterschiedlichen Haltungssystemen beobachtet, sondern auch Speichelproben vor und nach einem außergewöhnlich weiten Transport entnommen, um diese auf den Cortisol-Gehalt zu untersuchen. – Kurz und einfach: Cortisol ist ein Stresshormon und die Höhe des Cortisol-Gehalts der entnommenen Speichelproben lassen Rückschlüsse darauf zu, ob das jeweilige Individuum “Stress” hatte, der Gehalt also relativ hoch ist, oder eben nicht, der Wert sich also noch in einem normalen Bereich befindet.
Es konnte hierbei bei keinem Tier ein ausreichend hoher Cortisol-Gehalt nachgewiesen werden, der ernsthaft auf “Stress” hätte deuten können. Die Wissenschaftler schlossen daraus und aus ihren Beobachtungen (es wurde bei keinem der Tiere Verhaltensstörungen o.ä. festgestellt), dass sich die Tiere – die ja seit Geburt/von klein auf im Zirkus leben – an den Alltag im Zirkus und an das Reisen gewöhnen konnten. – Ein Vergleich mit früheren Untersuchungen in der Serengeti und dem Ngorongoro-Krater in Tansania, Ostafrika (Hanby et al., 1995) zeigte auch, dass die Zirkustiere sogar bessere Werte aufwiesen, als ihre wildlebenden Artgenossen. Vom wissenschaftlichen Standpunkt her gäbe es somit keine Anzeichen, dass das Anpassungspotential der untersuchten Tiere überschritten oder dass das Wohlergehen der Tiere beeinträchtigt wäre.
Weitere solcher Untersuchungen wären also begrüßenswert, um das tatsächliche Wohl der jeweiligen Tiere feststellen zu können.