Verantwortung, Herausforderungen und Kritik am Great Ape Project
Inhaltsverzeichnis
In der heutigen Zeit spielen Zoos eine unverzichtbare Rolle im Artenschutz und bieten zugleich eine Plattform für Bildung und Forschung. Eine der zentralen Aufgaben moderner zoologischer Einrichtungen ist das Populationsmanagement, das darauf abzielt, stabile und gesunde Tierpopulationen zu erhalten. Der Tiergarten Nürnberg steht seit Anfang 2024 im Fokus der öffentlichen Diskussion, da er aufgrund überzähliger Guinea-Paviane gezwungen ist, die Gruppe zu verkleinern. Während sich der Zoo um ethische und gesetzeskonforme Lösungen bemüht, stößt er auf Kritik von Organisationen wie dem Great Ape Project (GAP) und dessen Partner, dem Wales Ape & Monkey Sanctuary (WAMS), deren Angebote jedoch erhebliche Defizite aufweisen und keine tierschutzgerechte Alternative darstellen.
Die Bedeutung des Populationsmanagements
Populationsmanagement ist ein zentraler Bestandteil der Arbeit in zoologischen Einrichtungen. Es dient der langfristigen Erhaltung gesunder und genetisch vielfältiger Tierpopulationen. Durch gezielte Zuchtprogramme wie die Europäischen Erhaltungszuchtprogramme (EEP) wird sichergestellt, dass Tiere in Zoos nicht nur überleben, sondern auch gedeihen können. Diese Programme koordinieren die Zuchtbemühungen zwischen verschiedenen Zoos, um Inzucht zu vermeiden und die genetische Gesundheit der Populationen zu sichern.
Der Tiergarten Nürnberg engagiert sich aktiv in diesen Programmen und trägt mit seiner Guinea-Pavian-Gruppe zur Erhaltung dieser bedrohten Primatenart bei. Gleichzeitig fungiert der Zoo als Bildungszentrum, das über Artenschutz aufklärt und durch seine Forschungsarbeit neue Erkenntnisse über Tierverhalten und Haltung liefert. Dies unterstreicht die wissenschaftliche Relevanz moderner Zoos, die nicht nur Tierhaltung betreiben, sondern auch Daten generieren, die in der internationalen Artenschutzarbeit von Bedeutung sind.
Die konkrete Situation in Nürnberg
Die Guinea-Pavian-Gruppe des Tiergartens ist auf 45 Tiere angewachsen, obwohl das Gehege nur für etwa 25 Tiere ausgelegt ist. Diese Überbelegung führt zu sozialen Spannungen, erhöhtem Verletzungsrisiko und genetischen Problemen durch unkontrollierte Vermehrung. Zudem verschlechtert sich die Lebensqualität der Gruppe, da territoriale Konflikte und Dominanzverhalten zunehmen. Langfristig kann dies zu Verhaltensstörungen und erheblichem psychischem Stress führen – ein in der tiermedizinischen Literatur vielfach dokumentierter Aspekt.
Alternative Maßnahmen wie Verhütung oder Umsiedlung wurden sorgfältig geprüft. Hormonimplantate erwiesen sich als unzureichend wirksam. Vermittlungsversuche an andere zoologische Einrichtungen oder vermeintliche Auffangstationen scheiterten an unzureichenden Haltungsbedingungen, fehlender tiermedizinischer Infrastruktur oder mangelnder Transparenz der anfragenden Organisationen. Die Entscheidung zur Reduktion der Gruppe basiert somit auf einem komplexen Abwägungsprozess, bei dem stets das Tierwohl im Mittelpunkt stand.
Warum GAP und WAMS keine Lösung sind
Die ablehnende Haltung des Tiergartens gegenüber einem Angebot von WAMS stößt bei manchen auf Unverständnis. Doch ein genauerer Blick auf das Great Ape Project und das Wales Ape & Monkey Sanctuary macht deutlich, warum diese Entscheidung aus tierschutzrechtlicher Sicht zwingend notwendig war.
1. Deutschland/Großbritannien:
Berichte, dass uns ein konkretes Angebot des Great Ape Projects bzw. eines Sanctuary in Großbritannien vorläge, aus denen grundlegende Informationen zu den Haltungsbedingungen hervorgehen, sind nicht korrekt. Trotz mehrmaliger Nachfragen seit Februar 2024 haben wir nach wie vor keinerlei Informationen erhalten, beispielsweise zu der Größe und Ausstattung der Gehege, zu der geplanten Gruppenzusammensetzung der Tiere oder zu Haltungskapazitäten der Einrichtung.
WAMS ist keine wissenschaftlich oder veterinärmedizinisch geführte Einrichtung. Berichten zufolge sind dort kaum ausgebildete Fachkräfte tätig. Die Betreuung erfolgt weitgehend durch Ehrenamtliche oder Laien ohne fundierte Kenntnisse in Primatenhaltung. Dies wirft erhebliche Zweifel an der tierschutzgerechten Versorgung auf. Zudem fehlt es an Transparenz bezüglich Haltungsstandards, Finanzierung und veterinärmedizinischer Betreuung. Unabhängige Gutachten oder anerkannte Zertifizierungen, die den Betrieb als tiergerechte Auffangstation bestätigen würden, liegen nicht vor.
GAP wiederum ist keine juristisch eigenständige Organisation, sondern eine lose Initiative mit fragwürdiger Kompetenz in praktischer Tierhaltung. Es fehlen tragfähige Konzepte für die Integration und Versorgung von Tieren ebenso wie ein nachhaltiger Finanzierungsrahmen. Statt auf fachlich fundierte Zusammenarbeit setzen GAP und WAMS auf medienwirksame Kampagnen, die komplexe Zusammenhänge vereinfachen und skandalisieren.
Die Übergabe von Tieren an GAP oder WAMS wäre daher aus Sicht des Tierschutzgesetzes (§ 16a TierSchG) nicht zu vertreten und könnte sogar als tierschutzwidrig gelten. Der Tiergarten Nürnberg ist verpflichtet, das Wohlergehen seiner Tiere sicherzustellen – auch über die eigenen Gehege hinaus. Der bloße Anspruch, eine „Zuflucht“ zu sein, ersetzt keine nachweislich tierschutzkonforme Haltung.
Öffentliche Verantwortung braucht Realismus
Statt populistischer Forderungen braucht es realistische und verantwortungsvolle Konzepte. Der Tiergarten Nürnberg handelt im Einklang mit geltendem Recht, tiermedizinischer Expertise und europäischen Zuchtstandards. Ziel ist nicht die Tötung von Tieren, sondern die Vermeidung von Leid durch Überbesatz, soziale Instabilität und Aggression innerhalb der Gruppe. Bestandsregulierungen erfolgen nur unter strengsten Auflagen und auf Grundlage ethischer wie medizinischer Abwägungen, begleitet von tierärztlichen Gutachten und kontrolliert durch die zuständigen Behörden.
Wenn keine tierschutzgerechten Alternativen bestehen, kann eine Einschläferung unter tiefer Narkose als letztes Mittel notwendig werden. Diese Maßnahme ist rechtlich zulässig, ethisch vertretbar und wird von vielen Fachleuten als verantwortungsbewusste Lösung angesehen, um unnötiges Tierleid zu verhindern. Der Tiergarten kommuniziert dieses Vorgehen offen und transparent – ein verantwortungsvoller Schritt in einer polarisierten Debatte.
Schlussfolgerung: Differenzierte Kritik statt Symbolpolitik
Der Fall der Guinea-Paviane im Tiergarten Nürnberg macht deutlich, wie anspruchsvoll und vielschichtig modernes Populationsmanagement ist. Organisationen wie GAP und WAMS präsentieren einfache Lösungen, doch es fehlt ihnen an fachlicher Substanz, organisatorischer Struktur und rechtlicher Legitimation. Der Tiergarten Nürnberg hingegen steht für einen professionellen, wissenschaftlich fundierten und gesetzeskonformen Umgang mit Tieren.
Populationsmanagement ist ein dynamischer Prozess, der ständige Prüfung, Anpassung und Verantwortungsbewusstsein erfordert. Es verlangt Expertise, ethisches Urteilsvermögen und die Bereitschaft, auch unbequeme Entscheidungen im Sinne des Tierwohls zu treffen. Gesellschaft, Medien und Politik sind gefragt, diesen Diskurs mit Sachlichkeit und Respekt zu begleiten.
Nur so kann Populationsmanagement im Sinne von Artenschutz, Tierschutz und gesellschaftlicher Verantwortung gelingen – und eine Zukunft sichern, in der Tiere nicht nur überleben, sondern auch leben können.