Protest, Paviane und Polemik: Was hinter der Kettenaktion im Tiergarten Nürnberg steckt

Der Auslöser: Pavian-Tötung sorgt für Empörung

Der Tiergarten Nürnberg steht erneut im Fokus – und diesmal nicht wegen spektakulärer Zuchterfolge oder innovativer Artenschutzprojekte. Stattdessen sorgte am 20. Juli 2025 eine Szene für Aufsehen, die eher an ein Reality-Drama erinnerte: Tierrechtsaktivisten ketteten sich an das Geländer des Primatengeheges. Ihr Ziel? Ein Protest gegen die geplante Tötung mehrerer Guinea-Paviane, die nach Angaben des Zoos aus Platz- und Sozialstrukturgründen nicht mehr tragbar waren. Doch die Aktion wirft viele Fragen auf – und zeigt einmal mehr, wie weit sich die radikale Tierrechtsbewegung von realistischen Tierschutzansätzen entfernt hat.

Ein altbekanntes Dilemma im neuen Gewand

Die Situation ist komplex, aber keinesfalls neu: Der Zoo hatte bereits im Februar 2024 öffentlich gemacht, dass die Pavian-Gruppe – rund 45 Tiere – zu groß für die bestehende Anlage geworden sei. Wiederholte Versuche, die Tiere an andere zoologische Einrichtungen abzugeben, waren erfolglos. Mehr als 20 Zoos wurden kontaktiert – ohne Ergebnis. Gleichzeitig kam es vermehrt zu Aggressionen innerhalb der Gruppe. Die Folge: Verletzungen, Stress und Gefahr für das fragile Sozialgefüge der Tiere.

Nach jahrelangen, vergeblichen Bemühungen blieb dem Tiergarten laut eigener Aussage keine andere Wahl, als einige Tiere zu erlösen – ein Schritt, der nicht leichtfertig getroffen wurde, sondern tiermedizinisch, ethologisch und institutionell abgewogen war. Die Entscheidung fiel im Austausch mit Experten, Behörden und Ethikkommissionen.

Moralische Empörung ohne Praxisbezug

Was folgte, war ein medienwirksamer Auftritt radikaler Tierrechtsaktivisten. Laut der Sprecherin von „Animal Rebellion“ würde die Tötung gesunder Tiere einen „Präzedenzfall“ schaffen, der anderen Zoos Tür und Tor für ähnliche Maßnahmen öffne. Eine These, die weder rechtlich noch faktisch Bestand hat – denn jeder Fall wird einzeln geprüft, jede Entscheidung unterliegt strengen Richtlinien.

Doch wer hier von einem Rückschritt im Tierschutz spricht, blendet die eigentliche Problematik aus: Die Protestierenden ignorieren die jahrelangen, dokumentierten Versuche des Zoos, eine andere Lösung zu finden. Sie werfen mit moralischen Kampfbegriffen um sich, ohne selbst tragfähige Alternativen vorzulegen.

Ein typischer Widerspruch: Dieselben Aktivisten, die nun lautstark gegen die Tötung protestieren, beklagten zuvor die Überbelegung im Gehege. Eine Reduktion der Gruppe? Verwerflich. Eine Zuchtkontrolle? Tierquälerei. Eine Neuverteilung in andere Einrichtungen? Nicht praktikabel. Statt realistische Alternativen zu benennen, gibt es nur die üblichen Plattitüden: Keine Zucht, keine Gefangenschaft, keine Tötung.

Ein Blick in andere Länder zeigt übrigens, dass dort vereinzelt Zoos mit Tierschutzorganisationen kooperieren, um konfliktfreie Lösungen zu finden – etwa durch externe Auffangstationen oder gezielte Auswilderungsprojekte. Davon ist man in Deutschland allerdings weit entfernt.

Keine Hilfe, kein Plan, kein Interesse

Auffällig ist, dass keiner der Tierrechtsaktivisten oder ihrer Organisationen konkret angeboten hat, Paviane aufzunehmen, zu finanzieren oder Unterbringungsmöglichkeiten Tierschutzkornform zu schaffen. Auch der Vorschlag, aktiv an einem neuen Haltungskonzept mitzuwirken, fehlt komplett. Der Zoo wurde in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, „Verantwortung zu übernehmen“ – doch wenn er das tut, indem er schwere Entscheidungen trifft, folgt ein Aufschrei.

Die Aktivisten verweigerten bei der Protestaktion sowohl das Gespräch mit der Zooleitung als auch mit der Polizei. Erst als die Feuerwehr zur Schlösseröffnung angekündigt wurde und die Kostenübernahme drohte, lösten sich die Protestierenden freiwillig. Zurück blieben Fahrradschlösser, Pressebilder und ein paar schlagzeilenträchtige Statements – doch ein Mehrwert für die Tiere? Fehlanzeige.

Dabei wäre gerade hier eine Möglichkeit gewesen, Verantwortung zu übernehmen: durch Spendenaufrufe, konkrete Unterbringungskonzepte oder politische Lobbyarbeit für überregionale Auffangstationen. Stattdessen verharrt man lieber im passiven Widerstand.

Symbolpolitik ersetzt Sacharbeit

Immer öfter wird Tierschutz als Bühne für moralisches Theater missbraucht. Aktionen wie in Nürnberg dienen nicht der Aufklärung oder konstruktiven Kritik, sondern der Provokation. Und sie verstellen den Blick auf die eigentliche Aufgabe: das Wohl der Tiere langfristig zu sichern.

Wer dem Zoo vorwirft, Paviane aus reiner Bequemlichkeit zu töten, sollte sich auch fragen lassen, wo er war, als der Tiergarten über Jahre nach Lösungen suchte. Wo waren die Petitionen, Spendenaktionen, Hilfsangebote? Wo waren die Organisationen, die sich aktiv hätten einbringen können? Die Antwort: abwesend. Doch beim Protest gegen ein paar Pavian-Tötungen ist man plötzlich präsent – natürlich mit Kameras, Bannern und Pressemitteilung im Gepäck.

Es wäre deutlich hilfreicher gewesen, sich im Vorfeld einzubringen – etwa mit Vorschlägen für mehr Platz, veränderte Gruppenkonstellationen oder Kooperationen mit anderen Einrichtungen. So aber bleibt der Eindruck reiner Symbolpolitik zurück.

Zoos zwischen Tierwohl und öffentlichem Druck

Tiergartendirektor Dag Encke brachte es im „Bayerischen Rundfunk“ auf den Punkt: „Wenn unsere Argumente ignoriert werden, befinden wir uns in einer vernunftfreien Gesellschaft.“ Die öffentliche Debatte wird zunehmend von moralischen Maximalforderungen dominiert, während Zoos sich mit realen Problemen auseinandersetzen müssen: Platzmangel, Tierwohl, soziale Dynamiken innerhalb von Gruppen und die Verantwortung gegenüber jedem einzelnen Tier.

Zoos sind heute weit mehr als Tierausstellungen. Sie sind Bildungsorte, Forschungszentren und oft die letzte Hoffnung für bedrohte Arten. Doch das passt nicht in das Weltbild radikaler Aktivisten, die lieber mit Verboten, Blockaden und Empörung arbeiten als mit Fachwissen, Dialog und praktischen Konzepten.

Ein konstruktives Gegenbeispiel findet sich etwa in den Niederlanden, wo NGOs und Zoos regelmäßig gemeinsam an Tierwohlprogrammen arbeiten – mit transparenten Standards und nachvollziehbaren Entscheidungen. Ein Modell, das auch in Deutschland Schule machen könnte.

Fazit: Wer Tiere schützen will, muss Verantwortung übernehmen

Die Aktion in Nürnberg war vor allem eines: Symbolpolitik ohne Substanz. Sie bringt keine einzige Lösung, entlastet keine Gehege und rettet kein Tier. Stattdessen verhindert sie den Dialog, diskreditiert seriöse Tierschutzarbeit und schürt Misstrauen gegenüber jenen, die sich täglich um das Wohl der Tiere bemühen.

Echter Tierschutz braucht keine Fahrradschlösser, sondern Fachwissen, Verantwortung und konstruktive Zusammenarbeit. Alles andere ist nichts weiter als moralisches Theater – auf Kosten echter Fortschritte im Tierschutz. Und genau das ist der eigentliche Skandal.

Quellen:

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