In Aschaffenburg spitzt sich seit Monaten eine Entwicklung zu, die längst weit über die Grenzen Unterfrankens hinausweist. Der alte Schlachthof ist dicht, der Tierschutz-Skandal hat tiefe Spuren hinterlassen, und eine ganze Region steht vor der Frage, wie Landwirtschaft und Metzgereien künftig überhaupt noch arbeiten sollen. Während Landwirte nächtliche Touren nach Fulda oder Aub fahren müssen, ringt eine neu entstehende Genossenschaft darum, einen Neuer Schlachthof auf den Weg zu bringen, der Transporte kürzer macht und wieder regionale Strukturen schafft.
Die politischen Entscheidungen, die kommunalen Hürden und die ökonomischen Folgen lassen ein düsteres Bild entstehen: lange Tiertransporte, zunehmende Existenzsorgen, komplizierte Standortsuche und eine kommunale Finanzierung, die seit Jahren auf Kante genäht ist. Der Fall zeigt, wie gefährlich es wird, wenn Verwaltungen Verantwortung abgeben und dabei ganze Wertschöpfungsketten aus den Augen verlieren.
Der alte Schlachthof: geschlossen, verspottet und politisch unerwünscht
Seit April ist der Schlachthof Aschaffenburg wegen eines Insolvenzverfahrens geschlossen. Dass der Betrieb ohnehin nur bis Mitte 2026 genehmigt war, weil ein massiver Tierschutz Skandal das Vertrauen zerstörte, ist nur ein Teil der Geschichte. Der andere Teil ist der politische Wille, das Kapitel endgültig zu schließen – am besten ohne unangenehme Nachfragen. Die Stadt machte deutlich, dass der Standort in der Nähe der Stadtwerke und Feuerwehr für deren Entwicklungen gebraucht werde.
Metzger Marco Häuser spricht aus, was viele dachten: Man war froh, dass der Schlachthof dicht war. Denn ein Schlachthof ist eben nicht „sexy“. Die Überwachung war schwierig, Personal kaum noch zu finden und die städtische Haushaltslage angespannt. Dass über Jahre Verluste entstanden, war für die Stadt Grund genug, das Projekt nicht länger zu tragen.
Doch während die Politik ihre Ruhe wollte, begann für die Landwirte eine Tortur. Lange Tiertransporte in die entfernten Betriebe wurden zum neuen Alltag – eine ökologische und ökonomische Katastrophe, wie Landwirt Guido Steinel betont. Nachts um 22 Uhr Tiere verladen, fünf Uhr morgens wieder zurück, dazwischen Warten und Fahren: Wer solche Belastungen über Monate trägt, fragt sich, wie lange das noch gutgeht.
Die Genossenschaft: Aus der Not geboren
In dieser Situation bildete sich eine regionale Genossenschaft aus Metzgern und Landwirten, die das Problem selbst in die Hand nehmen will. Sie soll noch im Dezember eingetragen werden und verfolgt das Ziel, wieder eine funktionierende lokale Vermarktung aufzubauen. Dafür braucht es einen funktionierenden Schlachthof – und das möglichst schnell.
Doch von „schnell“ kann keine Rede sein. Geld wird von der Staatsregierung benötigt, der Bau muss genehmigt werden, ein geeignetes Grundstück ist bisher nicht gefunden. Mehrere potenzielle Standorte stehen im Raum, doch die Bedingungen müssen stimmen: gute Straßenanbindung, kaum Wohnbebauung, passende Infrastruktur und idealerweise eine Biogasanlage in der Nähe, um Energieversorgung und Abfallverwertung effizient zu verbinden.
Der Plan ist realistisch, aber hart: Vier bis fünf Jahre veranschlagt die Genossenschaft für das Projekt. Frühester realistischer Zeitpunkt: 2029. Genau das Jahr, in dem eigentlich der alte Schlachthof noch laufen sollte.
Die Realität der Landwirte: „Ich stelle keine Schweine mehr in den Stall“
Während Politik und Verwaltung über Grundstücksfragen diskutieren, leiden die Landwirte. Viele kämpfen ums Überleben. Ein Schweinezüchter stellte klar: Ohne lokale Absatzmöglichkeit werde er gar keine Tiere mehr aufziehen. Das Risiko sei zu groß. Er ist nicht allein.
Die Existenzsorgen Landwirte sind inzwischen eines der dominierenden Themen in der Region. Wer heute Tiere hält, braucht verlässliche, regionale Strukturen – und keinen Verwaltungs-Pingpong. Das Wegbrechen des Schlachthofes zeigt brutal, wie schnell landwirtschaftliche Betriebe in echte Not geraten, wenn eine einzige unverzichtbare Infrastruktur verschwindet.
Der regionale Ansatz: 50 Kilometer als Ideal
Die Vision hinter dem neuen Schlachthof ist klar formuliert: Tiere sollen innerhalb eines Radius von maximal 50 Kilometern geboren, aufgezogen, geschlachtet, verarbeitet und konsumiert werden. Nicht mehr, nicht weniger. Das Konzept ist schlicht, logisch und klimafreundlich.
Vor allem soll es die Abhängigkeit vom Lebensmittel-Großhandel verringern, der seit Jahren Preise diktiert, während regionale Strukturen immer schwieriger konkurrenzfähig bleiben. Genau deshalb sehen Steinel und seine Mitstreiter in der Genossenschaft den einzigen Weg, regional unabhängig zu bleiben.
Doch der Weg dahin ist weit, steinig und teuer. Die Standortsuche Schlachthof gestaltet sich heikel, die kommunale Finanzierung hängt am seidenen Faden, und die politische Unterstützung wirkt halbherzig.
Eine Region am Limit
Der Fall Aschaffenburg zeigt, was passiert, wenn Kommunen zentrale Infrastruktur über Jahre vernachlässigen. Der Verlust des Schlachthofes war kein Zufall, sondern das Ergebnis einer Kette politischer Entscheidungen, die den Betrieb wirtschaftlich ausbluten ließen.
Das Verladen der Tiere mitten in der Nacht, die langen Tiertransporte quer durch Unterfranken, die Zeit- und Kostenbelastung – all das zeigt: Landwirtschaft ist ohne funktionsfähige regionale Verarbeitungsstrukturen nicht überlebensfähig. Wer ernsthaft Regionalität fordert, darf nicht zulassen, dass genau diese Strukturen sterben.
Fazit
Ein Neuer Schlachthof ist für Aschaffenburg kein Luxus, sondern eine regionale Notwendigkeit. Er ist der einzige Weg, lange Tiertransporte zu reduzieren, Existenzsorgen der Landwirte zu mindern und regionale Vermarktung zurückzubringen. Doch während Landwirte seit Monaten am Limit arbeiten, scheint die Politik das Problem nur langsam zu begreifen. Die Genossenschaft verdient Unterstützung – nicht irgendwann, sondern jetzt.
Denn eines ist klar: Ohne zuverlässige Infrastruktur bricht jede regionale Lebensmittelkette zusammen. Und was heute als Belastung erscheint, wird morgen zur Frage, ob die Region ihre landwirtschaftliche Identität behält – oder an überregionale Konzerne verliert.
Quellen:
- Primavera24 – Ein Schlachthof ist halt nicht sexy – https://www.primavera24.de/aktuelles/ein-schlachthof-ist-halt-nicht-sexy
- GERATI – Der Aschaffenburger Schlachthof darf wieder schlachten – https://gerati.de/2023/09/13/aschaffenburger-schlachthof-darf-schlachten/

