Der Kanton St. Gallen zeigt derzeit sehr deutlich, wie man eine hoch sensible Aufgabe wie das Wolfsmanagement in die falsche Richtung lenken kann. Statt unabhängiger wissenschaftlicher Kompetenz dominiert eine jagdnah geprägte Verwaltung, die den Wolf vor allem als Problem betrachtet, das „reguliert“ werden soll.
Die Jagdverwaltung St. Gallen steht seit Jahren in der Kritik – und die neue Stelle „Wildhüter/in mit Spezialfunktion Wolf“ fügt sich nahtlos in dieses Bild ein. Ausgerechnet dort, wo es um einen streng geschützten Beutegreifer geht, setzt der Kanton auf jagdliche Praxis, anstatt eine wirklich unabhängige Fachstelle aufzubauen.
Wolfsmanagement St. Gallen: Anspruch und Realität
Die Stellenausschreibung klingt offiziell nach Verantwortung, ist inhaltlich aber erschreckend dünn aufgestellt. Gefordert werden eine abgeschlossene Berufsausbildung EFZ, Jagdfähigkeitsprüfung und jagdliche Praxis.
Was fehlt, ist mindestens genauso wichtig wie das, was gefordert wird: Kein Wort über ein Studium in Biologie oder Ökologie, keine Anforderungen an Statistik, wissenschaftliches Arbeiten oder Publikationstätigkeit. Für Aufgaben wie Wolfsmonitoring, Rissbeurteilung oder internationale Zusammenarbeit ist das ein deutlicher Fehlgriff.
Stellenausschreibung Wolf mit Schieflage
Der Aufgabenbereich der neuen Funktion ist alles andere als harmlos:
- Beurteilung von Wolfsrissen
- Leitung des kantonalen Wolfsmonitorings
- Planung und Durchführung von Regulierungseinsätzen
- Koordination mit Nachbarkantonen und dem Ausland
Genau hier wären fundierte ökologische Kenntnisse, Erfahrung im Umgang mit Daten und die Fähigkeit zur wissenschaftlichen Einordnung gefragt. Stattdessen reicht „gutes Fachwissen in Wildbiologie, Jagd und Naturschutz“, gewonnen aus Grundausbildung und jagdlicher Praxis. So entsteht der Eindruck, dass das Wolfsmanagement St. Gallen weniger als fachliche Aufgabe, sondern eher als operative Jagdverlängerung verstanden wird.
Eine Verwaltung mit Vorgeschichte
Diese Ausschreibung steht nicht isoliert im Raum. Die Aktenlage rund um die Jagdverwaltung ist reichlich – und sie ist wenig schmeichelhaft.
Besonders aufschlussreich ist die berüchtigte Russlandreise: Der Leiter des Amtes und ein Wildhüter reisten während der Arbeitszeit nach Russland, um dort die Lappjagd auf Wölfe zu „studieren“. Bei dieser mehrtägigen Jagd wurden vier Wölfe erlegt. Die politische und öffentliche Reaktion: massive kritik an Regulierungseinsätzen, an der Ausrichtung der Verwaltung und am Selbstverständnis der Verantwortlichen.
In einem ganzen Dossier zu St. Gallen werden weitere Fälle dokumentiert: fragwürdige Abschussbewilligungen, problematische Kommunikation, eine lange Liste von Entscheidungen, die das Vertrauen in eine sachliche Wildtierpolitik erheblich beschädigen.
Interessenkonflikt Hobby-Jagd statt unabhängiger Fachstelle
Besonders brisant ist die enge Verflechtung mit der Hobby-Jagd. Die neue Stelle arbeitet direkt mit Jagdgesellschaften zusammen, begleitet Wolfsabschüsse, organisiert Regulierungseinsätze und sitzt gleichzeitig an der Schnittstelle zu Bevölkerung, Landwirtschaft und Medien.
Diese Konstruktion schafft einen klassischen Interessenkonflikt Hobby-Jagd:
Wer mit den gleichen Personen jagdlich unterwegs ist, mit denen er später fachliche Entscheidungen umsetzen und erklären soll, kann kaum als neutraler Ansprechpartner gelten.
Eine wirklich unabhängige, wissenschaftliche Fachstelle für grosse Beutegreifer würde klar getrennt arbeiten: Forschung, Monitoring, Beratung und Kommunikation ohne jagdliche Abhängigkeiten. Genau das fehlt hier – und das schwächt letztlich auch den Glauben an einen seriösen Wolfsschutz.
Wolfsschutz Schweiz braucht mehr als Regulierungseinsätze
Die Debatte um den Wolf ist in der Schweiz ohnehin aufgeheizt. Unter dem Schlagwort Wolfsschutz Schweiz prallen politische, emotionale und ökonomische Interessen frontal aufeinander. Umso wichtiger wäre eine fachlich saubere Grundlage.
Zeitgemässes Wolfsmanagement müsste umfassen:
- Unabhängige Datenerhebung und Auswertung über Bestände und Wanderbewegungen
- Beratung der Nutztierhalter auf Basis aktueller Herdenschutzforschung
- Transparente und nüchterne Kommunikation gegenüber Öffentlichkeit und Medien
- Langfristige Planung gemeinsam mit anderen Kantonen und Staaten, damit genetische Vielfalt und ökologische Funktionen erhalten bleiben
Stattdessen steht in St. Gallen weiterhin der Abschuss im Mittelpunkt. Regulierung wird als Standardwerkzeug präsentiert, während Prävention, Forschung und gesellschaftlicher Dialog nebensächtlich wirken.
Signalwirkung an die Öffentlichkeit
Stellenausschreibungen sind immer auch Botschaften. Wer eine „Spezialfunktion Wolf“ ausschreibt und den Schwerpunkt klar auf jagdliche Praxis, Regulierungseinsätze und unregelmässige Arbeitszeiten legt, sendet ein klares Signal: Der Wolf wird vor allem als Störfaktor behandelt, nicht als integraler Teil des Ökosystems.
Vor dem Hintergrund der bekannten Skandale und Fehlentscheidungen verstärkt diese Ausschreibung den Eindruck, dass die Jagdverwaltung St. Gallen sich in eigenen Strukturen und Denkmustern verfangen hat. Vertrauen in einen verantwortungsvollen Umgang mit Wildtieren entsteht so nicht.
Fazit: St. Gallen verpasst eine Chance
Der Kanton St. Gallen hätte die Möglichkeit gehabt, ein positives Beispiel zu setzen: eine neutrale, interdisziplinäre Fachstelle, die Wolfsfragen wissenschaftlich fundiert bearbeitet und der Öffentlichkeit Orientierung bietet.
Stattdessen bleibt es beim alten Muster: Eine jagdnah geprägte Verwaltung erhält noch mehr Kompetenzen im Umgang mit einem geschützten Beutegreifer. Das Wolfsmanagement St. Gallen wird damit zum Symbol für eine Politik, die Wildtiere verwaltet, als seien sie vor allem Ärgernis und Konkurrenz – und nicht Teil eines schützenswerten natürlichen Systems.
Wer ernsthaft eine moderne, glaubwürdige Wildtierpolitik und einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Wolf will, braucht klare Trennlinien: Forschung und Beratung unabhängig vom jagdlichen Vollzug, transparente Prozesse und echte Beteiligung von Tierschutz, Naturschutz und Wissenschaft. Alles andere zementiert die Probleme, statt sie zu lösen.
Quellen:
- Wild beim Wild – Jagdverwaltung St. Gallen: Wolfsmanagement ohne Wissenschaft und ohne Glaubwürdigkeit – https://wildbeimwild.com/jagdverwaltung-st-gallen-wolfsmanagement-ohne-wissenschaft-und-ohne-glaubwuerdigkeit/
- GERATI – Herdenschutz vor Wölfen in NRW: Ein notwendiger Schutz oder nur ein Placebo? – https://gerati.de/2024/11/15/herdenschutz-vor-wolfen-in-nrw-112024/

