Debatte um das Amt der Bundestierschutzbeauftragte

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Die Diskussion um das Amt der Bundestierschutzbeauftragten schlägt derzeit hohe Wellen: Während Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen für den Erhalt kämpfen, fordern Kritiker aus Politik und Landwirtschaft dessen Abschaffung. Doch worum geht es dabei eigentlich genau?

GERATI hat sich die Zeit genommen, beide Seiten dieser hitzigen Debatte gründlich zu beleuchten: Welche Rolle spielt die derzeitige Amtsinhaberin Dr. Ariane Kari? Welche Interessen verfolgen Agrarvertreter und warum sehen manche in der Tierschutzbeauftragten eine Gefahr für ihre Branche? Und wie stark ist der Einfluss von Tierschutzorganisationen wirklich?

Am Ende dieser Analyse steht keine fertige Meinung – sondern ein differenzierter Überblick über ein kontroverses Thema. Die Bewertung überlassen wir unseren Leserinnen und Lesern. Bilden Sie sich selbst ein Urteil.

Entstehung des Amtes und seine Funktion

Das Amt der/des Bundestierschutzbeauftragte (Beauftragter der Bundesregierung für Tierschutz) wurde 2023 unter der Ampel-Koalition neu geschaffen, um dem Tierschutz auf Bundesebene eine unabhängige Stimme zu geben [1]. Am 12. Juni 2023 trat die Tierärztin Dr. Ariane Désirée Kari – zuvor stellvertretende Landestierschutzbeauftragte in Baden-Württemberg – ihr Amt als erste Bundestierschutzbeauftragte an. [1] [2] Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte sie vorgeschlagen, mit dem Ziel, die Belange der Tiere stärker in politische Entscheidungen einfließen zu lassen. [1] [2] PROVIEH und andere Tierschutzorganisationen hatten jahrelang eine solche Stelle gefordert, da es bislang an einer unabhängigen Instanz fehlte, die als Schnittstelle zwischen Bundes- und Länderebene, Wissenschaft und Zivilgesellschaft allein im Interesse des Tierschutzes agiert. [1]

Die neue Tierschutzbeauftragte ist – anders als Ministeriumsmitarbeiter – weisungsfrei und fachlich unabhängig im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) angesiedelt. [3] Sie soll die gesamte Bundesregierung und den Bundestag zum Tierschutz beraten und eigenständig Initiativen ergreifen, um Missstände zu beseitigen. [3] Im Gegensatz zu Ministeriumsreferaten, die Weisungen der Regierung ausführen, kann die/der Beauftragte auf eigener fachlicher Grundlage tätig werden. So kann sie zum Beispiel unabhängig Aufklärung über tatsächliche Zustände in Tierhaltung, Forschung und Natur betreiben – etwas, das die Bundesregierung bislang in dieser Offenheit nicht tat. [3] Kurz: Das Amt wurde geschaffen, um Tieren auf höchster politischer Ebene eine Stimme zu geben und das Staatsziel Tierschutz (seit 2002 im Grundgesetz verankert) mit Leben zu füllen.

Geplant war ursprünglich, die Stelle über eine Novelle des Tierschutzgesetzes dauerhaft gesetzlich zu verankern. [1] [2] Diese rechtliche Absicherung konnte jedoch bis dato nicht umgesetzt werden – laut PROVIEH „versandete“ die Novelle in der vergangenen Legislaturperiode. [2] Dr. Kari verfügt über umfangreiche Qualifikationen im öffentlichen Veterinärwesen und genießt in Fachkreisen hohe Anerkennung. [4] Ihr kleines Team umfasst nur vier Mitarbeitende; das Budget des Amtes liegt mit ca. 250.000–258.000 € jährlich im unteren Minimalbereich verglichen mit anderen Bundesbeauftragten. [3]

Gründe für Kritik und geplante Abschaffung des Amtes

Trotz der begrüßten Ziele steht das neue Amt von Anfang an unter heftiger Kritik, vor allem aus Reihen der konservativen Opposition (CDU/CSU) und der Agrarwirtschaft. Noch bevor Ariane Kari ihre Arbeit aufnahm, stellte die Unionsfraktion im Bundestag eine Kleine Anfrage mit 16 Fragen, warum die Bundesregierung dieses Amt brauche und ob Kari die richtige Besetzung sei. [4] Führende Unionspolitiker bezeichneten die Einrichtung des Postens als überflüssig und bürokratisch. So monierte CDU-Abgeordneter Steffen Bilger gegenüber der Süddeutschen Zeitung, es kümmerten sich bereits rund 50 Mitarbeiter im BMEL um Tierschutz und Tiergesundheit, daher sei eine neue, hoch dotierte Beauftragtenstelle mit eigenem Personal nicht nötig. [4] Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU, Albert Stegemann, legte nach und erklärte, Tierhalter bräuchten keine neue kostspielige Stelle in der Bundesregierung, die ihnen reinredet. [4] Ähnlich argumentiert der CDU-Abgeordnete Hermann Färber (damals Vorsitzender des Agrarausschusses): Die Länder hätten bereits eigene Tierschutzbeauftragte, sodass das Bundesamt entbehrlich sei. [5] Diese Doppelstruktur-These wird von der Union und Landwirtschaftslobby seit Monaten ins Feld geführt. [3]

Ein zentrales Argument der Kritiker ist also die behauptete Redundanz: Man habe schon Behördenzuständigkeiten für Tierschutz, das neue Amt schaffe nur Doppelarbeit und Bürokratie. [3] Dieser Vorwurf wird auch in konservativen Medien aufgegriffen (etwa BILD und NZZ). [3] Tierschutzbefürworter halten dem entgegen, dass die betreffende BMEL-Unterabteilung „Tierschutz und Tiergesundheit“ eben nicht ausschließlich Tierschutz betreibt, sondern viele andere Aufgaben (Arzneimittelüberwachung, Tierseuchen, Lebensmittelsicherheit etc.) abdeckt. [3] Faktisch sind im BMEL derzeit nur 16 Personen dezidiert mit Tierschutz befasst – das sind gerade 0,02% der Ministeriumsmitarbeiter. [3] Die Befürchtung der Kritiker, es gebe zu viele Stellen im Tierschutz-Apparat, kehrt die Realität also nahezu ins Gegenteil um. [3]

Ein weiterer Kritikpunkt ist der Kostenfaktor. In Zeiten knapper Kassen und Sparhaushalten stilisierten Gegner das Amt zu einem unnötigen Luxusposten, der Steuergelder verschwende. [3] Tatsächlich belaufen sich die jährlichen Kosten laut BMEL-Angaben auf nur rund 258.000 €. [3] Zum Vergleich: Das BMEL hat ein Haushaltsvolumen von 7,68 Milliarden € – etwa das 30.000-Fache – und vergibt zusätzlich ca. 6 Mrd. € EU-Agrarsubventionen, auch an Betriebe mit tierschutzwidrigen Haltungsbedingungen. [3] Auch andere Bundesbeauftragte verfügen über weit größere Ressourcen (der Datenschutzbeauftragte z.B. über 300 Mitarbeiter und 43 Mio. € Budget). [3] Befürworter kontern daher, die Aufregung über die vergleichsweise geringen Kosten der Tierschutzbeauftragten sei vorgeschoben – zumal im Agrarsektor weitaus höhere Summen ins System fließen, ohne Tierleid zu verhindern. [3]

Ideologisch begründet ist der Widerstand ebenfalls: Viele in der Agrarbranche sehen die neue Stelle als potenziell störend für etablierte Praktiken. Stegemanns Aussage, die Landwirtschaft brauche niemanden, der „reinredet“, zeigt die Sorge, dass unabhängiger Tierschutz gegen wirtschaftliche Interessen agieren könnte. [3] [4] Ein bevorstehendes konkretes Beispiel war die geplante Novelle des Tierschutzgesetzes: Darin sollte etwa die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern verboten und klargestellt werden, dass wirtschaftliche Interessen keinen vernünftigen Grund zur Beeinträchtigung des Tierwohls darstellen. [4] Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken, warnte umgehend, ein solcher Passus könne „das Ende der landwirtschaftlichen Tierhaltung bedeuten“ [4] – eine Aussage, die verdeutlicht, wie sehr Teile der Agrarlobby strengeren Tierschutz als Bedrohung ihres Geschäftsmodells ansehen.

In der aktuellen politischen Entwicklung hat diese Konfrontation an Schärfe gewonnen. Regierungswechsel 2025: Nach dem Bruch der Ampel-Koalition und der Bildung einer neuen Regierungskoalition unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) rückte das Amt ins Visier von Sparplänen. Die neue Bundesregierung beschloss aus Kostengründen die Streichung zahlreicher Beauftragtenposten, und der befristete Vertrag der Bundestierschutzbeauftragten – bis Ende Mai 2025 – sollte nicht verlängert werden. [1] [2] Mit anderen Worten: Lässt man das Mandat einfach auslaufen, wäre das Amt nach zwei Jahren Geschichte. Dies rief umgehend Protest von Tierschützer*innen hervor. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, warnte den neuen Agrarminister Alois Rainer (CSU) ausdrücklich davor, die Position ersatzlos wegfallen zu lassen. [2] Das zuständige Ministeriumsreferat sei jetzt schon personell unterbesetzt; ohne Bundestierschutzbeauftragte drohten die drängendsten Probleme in der Nutztierhaltung, im Heim- und Wildtierschutz und in der Tierforschung unbeachtet und unbearbeitet zu bleiben. [2] Eine Abschaffung des Amtes wäre aus Sicht Schröders ein „Rückschritt in der Tierschutzpolitik“. [2]

Vorwürfe gegen die Amtsinhaberin Dr. Ariane Kari

Kritiker attackieren nicht nur die Stelle an sich, sondern auch die Person der Amtsinhaberin. Ariane Kari ist parteilos und fachlich ausgewiesen, doch aus konservativer Sicht wird ihr unterstellt, sie verfolge eine zu aktivistische Agenda im Sinne radikaler Tierrechtsorganisationen. So wurde in einem Kommentar spekuliert, Karis Karriereweg sei darauf ausgerichtet gewesen, in solch ein Amt zu gelangen, und sie habe etwa wissenschaftlich mit Personen kooperiert, die der Tierrechtsszene nahestehen. [6] Konkret veröffentlichte Kari gemeinsam mit Juristin Johanna Hahn einen Fachartikel über das Leiden von Nutztieren, der Daten und Akten von PETA Deutschland e.V. auswertete. [6] PETA ist eine Organisation, die sich selbst als Tierrechts- und nicht bloß Tierschutzorganisation versteht – letztlich mit dem Ziel, jede Tiernutzung durch den Menschen zu beenden. [6] Dass Kari und Co-Autorin Hahn in ihrer Studie PETA als „Tierschutzorganisation“ bezeichneten, werteten Kritiker als naiv oder ideologisch verblendet. [6] In einem Tierrechts-Blog wurde sogar gefordert, Tierschutzvereinen wie PETA mehr Rechte in Strafverfahren (z.B. Akteneinsicht und Stellungnahmen) einzuräumen [6] – Vorschläge, die aus Sicht der Tiernutzer-Lobby alarmierend wirken. Solche Punkte werden genutzt, um Kari Nähe zu PETA und der „Tierrechtsindustrie“ zu unterstellen. [6] Die Unterstellung lautet im Kern, sie würde ungeprüft Behauptungen radikaler Aktivisten glauben und diese in politische Arbeit übersetzen. [6]

Auch die Boulevardpresse suchte früh nach Angriffspunkten: Die BILD-Zeitung ätzte bereits 2022 gegen die geplante Stelle und kolportierte, obwohl es im Ministerium schon eine Tierschutz-Abteilung gebe, plane die Ampel „noch einen Beauftragten-Posten“. [3] Der Unterton: Hier werde einer Gesinnungsgenossin ein unnützer Job verschafft – ein Vorwurf von Klientelpolitik und Vetternwirtschaft, der im Raum steht, obwohl Kari als anerkannte Expertin ausgewählt wurde. Die Union ihrerseits ließ durchblicken, dass sie Zweifel an Karis Neutralität hat. In der erwähnten Anfrage und öffentlichen Statements ging es implizit darum, ob sie als bekennende Tierschützerin „die Richtige“ sei oder mit einer einseitigen Mission komme. [4] Manche konservative Kommentatoren verspotteten zudem die Tatsache, dass Frau Kari Veganerin ist (Zitat: „Zur Not isst die Veganerin auch mal Käse“), als Hinweis auf eine ideologische Prägung – nach dem Motto, hier werde radikaler Tierschutz staatlich verankert.

Konkrete Verfehlungen im Amt konnte man Dr. Kari bislang nicht vorwerfen; es gab keine Skandale oder Amtsmissbräuche. Vielmehr scheinen die „Vergehen“ in den Augen ihrer Gegner darin zu bestehen, dass sie ihren Auftrag ernst nimmt: Sie plädiert öffentlich für stärkere Tierschutzgesetze und kritisiert Missstände – was genau ihre Aufgabe ist. So brachte sie sich z.B. in die laufende Gesetzesreform ein und forderte etwa härtere Strafen bei Tierquälerei und ein Verbot bestimmter Tierhaltungsformen. [4] Für die Agrarlobby ist dies bereits zu viel des Guten. Animal Society spricht in diesem Zusammenhang von einer „populistischen Kampagne“ gegen Kari, die die Agrarindustrie deshalb führe, weil sie die unabhängige Kontrolle fürchte. [3] Mit Schlagworten wie Doppelstrukturen und angeblicher Geldverschwendung versuche man, das Bild einer „unnützen Bürokratin“ zu zeichnen, um das Amt zu diskreditieren. [3] Tatsächlich zeigen die Reaktionen der Lobby, wie ernst man dort die neue Stelle nimmt – offenbar befürchtet man, dass hier ein unbequemer Gegenpol zur bisherigen agrarfreundlichen Politik entstanden ist. [3]

Ein zentrales Thema für die Bundestierschutzbeauftragte ist das Leid von Tieren in der Massentierhaltung. Kritiker aus der Agrarindustrie fürchten unabhängige Kontrollen und strengere Auflagen – etwa bei der Ferkelaufzucht in engen Kastenständen (Foto: Konrad Lozinski) [3]

Engagement der Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen

Auf der anderen Seite mobilisierte die Schaffung des Amtes eine breite Front an Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen, die nun ebenso entschlossen für dessen Erhalt kämpfen. Zahlreiche Verbände betrachten die Bundestierschutzbeauftragte als wichtigen Fortschritt und unverzichtbares Instrument, um überfällige Verbesserungen im Umgang mit Tieren zu erreichen. Bereits die Einrichtung der Stelle 2021/2022 wurde von großen Tierschutzverbänden begrüßt und teils überhaupt erst durch ihren Druck in den Koalitionsvertrag aufgenommen. So hatte sich z.B. die SPD in der vorherigen Legislatur klar für die Schaffung des Amts ausgesprochen, [7] unterstützt von einer Allianz von Tierschutzverbänden.

Zu den prominentesten Befürwortern gehören der Deutsche Tierschutzbund, PETA Deutschland, VIER PFOTEN, PROVIEH, Animal Society, Menschen für Tierrechte (Bundesverband der Tierversuchsgegner) und weitere. Ihre Ziele überschneiden sich darin, dass das Amt als Stimme der Tiere in der Politik erhalten bleiben muss. Dabei hat jeder Akteur eigene Schwerpunkte:

  • Der Deutsche Tierschutzbund (größter Tierschutzdachverband Deutschlands) setzt sich für Heimtiere, landwirtschaftliche Nutztiere und Wildtiere gleichermaßen ein. Präsident Thomas Schröder betonte, man brauche das Bundesamt, da andernfalls viele drängende Probleme „unbeachtet […] unbearbeitet“ blieben. [2] Er appellierte an Minister Rainer, mit einer Vertragsverlängerung ein Zeichen des Vertrauens an Millionen von Tierschützer*innen im Land zu senden. [2]

  • PETA Deutschland als radikale Tierrechtsorganisation verfolgt langfristig das Ende jeglicher Ausnutzung von Tieren. [6] Auch wenn PETA grundsätzlich über Tierschutz hinausgeht, unterstützt die Organisation das Amt, weil eine unabhängige Instanz Missstände öffentlich machen und Reformen anstoßen kann, die in Richtung ihrer Ziele führen. PETA hat sich gemeinsam mit anderen in offenen Briefen und Petitionen klar für den Verbleib der Tierschutzbeauftragten ausgesprochen. [8]

  • VIER PFOTEN (Four Paws) ist eine internationale Stiftung, die sich für bessere Bedingungen von Heim- und Wildtieren sowie Nutztieren einsetzt. Sie hofft, dass die/der Bundestierschutzbeauftragte Themen wie Wildtierverbote im Zirkus, Pelzfarmverbote oder Heimtierschutz stärker voranbringt. VIER PFOTEN war Teil des Bündnisses, das vor dem Bundestag demonstrierte und über 100.000 Unterschriften für den Erhalt der Stelle sammelte. [9]

  • Animal Society e.V. ist eine noch junge Organisation, die sich auf politische Lobbyarbeit für Tiere spezialisiert hat und Transparenz in der Tierpolitik fördert. [9] Sie war maßgeblich an der Kampagne zur Unterstützung von Dr. Kari beteiligt. Animal Society initiierte Proteste, startete eine Petition und koordinierte ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis von Organisationen für das Amt. [9] In ihrer Vision sollen die Rechte und Interessen aller Tiere als Teil einer gerechten Gesellschaft anerkannt werden [9] – die Bundestierschutzbeauftragte sieht man als Wegbereiterin dafür.

  • PROVIEH e.V. fokussiert auf landwirtschaftliche Nutztiere und eine tiergerechte Agrarwende. PROVIEH forderte schon lange einen Bundes-Tierschutzbeauftragten, da insbesondere im Bereich der Massentierhaltung bundesweite Regelungen und Kontrollen nötig sind. [1] Die Organisation verweist darauf, dass staatlicher Tierschutz bisher meist dem Landwirtschaftsministerium untergeordnet war, wo ökonomische Interessen dominieren. Ein unabhängiges Amt dagegen könne allein im Wohle der Tiere beraten und kreative Lösungen einbringen. [1] [3]

  • Der Bundesverband Menschen für Tierrechte (Dt. Tierärzte gegen Tierversuche/Tierrechtsbund) setzt sich vor allem für ein Ende von Tierversuchen und für die Anerkennung von Tierrechten ein. Auch er beteiligte sich an Aktionen pro Bundestierschutzbeauftragte, in der Hoffnung, dass Themen wie Ersatzmethoden zu Tierversuchen oder strengere Versuchstier-Richtlinien mehr Gehör finden.

Daneben engagierten sich viele weitere Gruppen – von kleineren Initiativen wie der Anti Puppy Milling Mafia (gegen illegalen Welpenhandel) bis hin zu Berufsverbänden wie Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft. Sie alle vereinten ihre Kräfte in Petitionen und einem offenen Brief. Am 13. Mai 2025 etwa versandte ein Zusammenschluss von über 40 Tierschutzorganisationen im Rahmen des Netzwerks “Tierschutznetzwerk – Kräfte bündeln” einen Brandbrief an die entscheidenden Bundespolitiker, um den Erhalt des Amtes zu fordern. [1]

Der Höhepunkt der Proteste war eine Kundgebung am 21. Juli 2025 vor dem BMEL in Berlin, bei der zwei Petitionen mit zusammen über 101.400 Unterschriften an das Ministerium übergeben wurden. [9] Vertreterinnen und Vertreter der genannten Organisationen – von Animal Society, VIER PFOTEN, Deutscher Tier-Lobby e.V., Menschen für Tierrechte, PROVIEH bis zu Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft – standen Seite an Seite. [9] Ihre klare Botschaft lautete: „Das Amt der Bundestierschutzbeauftragten muss erhalten bleiben und langfristig gesetzlich gesichert werden“. [9] Besonders hoben sie hervor, dass Dr. Ariane Kari ihre Aufgabe mit hoher Fachkompetenz und Engagement erfüllt – und dass Kontinuität wichtig sei, damit sie ihre begonnene Arbeit fortsetzen kann. [9]

Aus Sicht der Tierschutzseite wäre die Abschaffung des Amtes fatal. Martin Rütter, Deutschlands bekanntester Hundetrainer und engagierter Tierschützer, wandte sich sogar in einem offenen Brief direkt an Kanzler Merz und das Kabinett. [8] In dem Schreiben, das er gemeinsam mit PETA, dem Tierschutzbund und VIER PFOTEN initiierte, heißt es unmissverständlich: „Erhalten Sie die Position der/des Bundestierschutzbeauftragten auch in der aktuellen Legislaturperiode und belassen Sie das Amt bei der bisherigen Amtsinhaberin, Frau Ariane Kari.“. [8] Rütter begründet dies eindringlich: „Tiere haben keine eigene Stimme… Deswegen liegt es in unserer Verantwortung, uns für sie starkzumachen. Das Amt… ist genau daher so wichtig“. [8] Eine Abschaffung, so Rütter, „würde eine Kapitulation vor der prekären Situation unserer Tierheime und der Herausforderungen unserer Zeit bedeuten“. [8] Die Forderung der Tierseite ist klar: Wer den Schutz der Tiere ernst nimmt, muss dieses Amt bewahren und weiter stärken. [8]

Politische Hintergründe und Lobby-Interessen

Die Kontroverse um die Bundestierschutzbeauftragte ist auch ein Stellvertreterkonflikt zwischen unterschiedlichen Lobbygruppen und politischen Lagern. Hier prallen die Interessen der Agrar- und Nutztierindustrie auf jene der Tierschutz- und Tierrechtsbewegung – und die politischen Parteien sind entsprechend gespalten.

Auf Seiten der Befürworter der Abschaffung stehen vor allem Politiker der CDU/CSU (und teils der FDP), die traditionell der Landwirtschaft nahestehen. Die Agrarlobby – bestehend aus dem Deutschen Bauernverband, Landwirtschaftskammern, Fleischindustrie und verwandten Verbänden – übt erheblichen Einfluss auf diese Parteien aus. Viele Unions-Abgeordnete haben selbst landwirtschaftlichen Hintergrund oder direkte Verbindungen zur Agrarbranche; etwa CSU-Politiker Artur Auernhammer, der die Kampagne gegen das Amt mit vorantreibt, ist nebenbei Landwirt. [3] Für diese Interessengruppe bringt das Amt mehr Nach- als Vorteile: Man befürchtet strengere Auflagen, intensivere Kontrollen und öffentliche Kritik an gängigen Praxisformen (wie Massentierhaltung, Kastenstände, Kükenstötung, Tierversuche etc.), wenn eine unabhängige Stelle Missstände anpranger. [3] Aus Sicht der Industrie hatte die alte Struktur – Tierschutz im Landwirtschaftsministerium – den Vorteil, dass politische Vorgesetzte unliebsame Tierschutz-Initiativen intern bremsen konnten. [3] Die Bundestierschutzbeauftragte durchbricht dieses Schema, da sie öffentlichkeitswirksam agieren und sich direkt an Parlament und Regierung wenden kann. [3] Lobbyverflechtung: Die Landwirtschaftsverbände haben daher ein starkes Interesse, diesen unabhängigen „Störfaktor“ wieder loszuwerden. Ihr Vorteil bei einer Abschaffung wäre die Bewahrung des Status quo: Tierschutz bliebe weiterhin vollständig unter Kontrolle des Ministeriums (künftig geführt von einem CSU-Minister) und könnte gegenüber wirtschaftlichen Belangen nachrangig behandelt werden – ohne ständige Mahnerin mit Bundesmandat. [3] Finanzielle Einsparungen spielen in Wahrheit allenfalls eine symbolische Rolle, werden aber von dieser Seite als Argument genutzt, um öffentliche Zustimmung zu gewinnen („Sparen von Steuergeld“, „Abbau von Bürokratie“). [3] Tatsächlich bedient man damit populäre Narrative von „Posten-Schacherei“ und „Aufblähung des Beamtenapparats“, um Stimmung gegen das Amt zu machen. [3] Der neue CDU-geführte Regierungskurs passt dazu: man präsentiert die Streichung der Beauftragten als Teil eines Spar- und Verschlankungsprogramms im Bund. [1] Intern dürfte aber ebenso entscheidend sein, dass die Union damit einem Wunsch ihrer Klientel entspricht – ein Zugeständnis an Bauernverband & Co., die die Ampel-Reformen im Tierschutz kritisch sahen.

Auf Seiten der Befürworter des Amtes stehen vor allem die Grünen und große Teile der SPD (insbesondere diejenigen, die sich in der Opposition bzw. vorherigen Koalition stark für Tierschutz ausgesprochen hatten). Während der Ampel-Regierung war die Einrichtung des Amtes Konsens zwischen SPD, Grünen und FDP (als Teil des Koalitionsvertrags). [7] Allerdings zeigen sich nun Bruchlinien: Nach dem Regierungswechsel 2025 muss insbesondere die SPD – die nun in einer Koalition mit der Union regiert – abwägen, wie viel politisches Kapital sie für den Erhalt des Postens einsetzt. Immerhin hatte die SPD sich zuvor klar pro Tierschutzbeauftragte positioniert. [7] Tierschutz genießt in der Bevölkerung großen Rückhalt, Umfragen zeigen seit Jahren, dass eine überwältigende Mehrheit mehr Tierschutz will. [10] Für die SPD (und jede Partei) kann es also Wählerstimmen kosten, wenn sie als Verantwortliche für einen Rückschritt im Tierschutz dasteht. Genau deshalb üben die Verbände auch gezielt Druck auf die Sozialdemokraten aus – laut Medienberichten haben rund 40 Organisationen der SPD-Spitze ins Gewissen geredet, das Amt nicht aufzugeben. [5] Zoe Mayer, Bundestagsabgeordnete der Grünen, forderte sogar, die Stelle der Tierschutzbeauftragten ins SPD-geführte Umwelt- oder Justizministerium zu verlagern, falls der CSU-Landwirtschaftsminister sie nicht halten will. [7] Damit versucht sie, innerhalb der Ampel-Parteien (bzw. ehemaligen Ampel) eine Lösung zu finden, um das Amt zu retten – ein Hinweis darauf, dass parteiübergreifend selbst in der neuen Regierung nicht alle das Streichen des Postens gutheißen.

Für die Tierschutzorganisationen selbst steht viel auf dem Spiel: Sie haben erhebliche Ressourcen in Kampagnen, Petitionen und Öffentlichkeitsarbeit investiert, um das Amt zu schaffen und zu verteidigen. Ihr Lobbyismus ist in diesem Fall ein Eintreten für ein öffentliches Gut – den Schutz von fühlenden Lebewesen – und damit moralisch positiv besetzt. Ihr Vorteil, wenn das Amt bleibt, liegt klar auf der Hand: mehr Einfluss auf die Politik zugunsten der Tiere. Erstmals gibt es jemanden im politischen System, der ihre Anliegen amtlich bündelt und einbringt. So hat die aktuelle Amtsinhaberin kurz vor Ablauf ihrer Amtszeit umfangreiche Tierschutz-Empfehlungen an die Parteien für die Bundestagswahl 2025 formuliert. [1] Solche Empfehlungen, Berichte oder Mahnworte würden ohne das Amt im politischen Raum fehlen. Die Verbände hätten dann weniger direkte Anknüpfungspunkte in Berlin. Gerade weil viele Missstände (illegaler Welpenhandel, Tierheimkrise, Qualzuchten, massenhafte Verstöße in Ställen, Tierversuche usw.) weiterhin akut sind, sehen die Organisationen hier die Gefahr eines Signalverlusts, sollte das Amt abgeschafft werden. Umgekehrt wäre die feste Verankerung der/des Beauftragten ein Erfolg, der auch künftig Druck auf Regierungen ausübt, beim Tierschutz zu liefern.

Zusammenfassend lässt sich die Debatte so beschreiben: Wirtschaftliche Interessen der Tiernutzerseite stehen gegen ethische Interessen des Tierschutzes. Die einen fürchten Einschränkungen und zusätzliche Kontrolle, die anderen hoffen auf Fortschritte und Transparenz. Dementsprechend wird lobbyiert. Die Abschaffung des Bundestierschutzbeauftragten-Amts brächte der Agrarindustrie kurzfristig Ruhe vor unangenehmen Wahrheiten und regulatorischem Handlungsdruck – wäre aber, so die Gegenstimmen, ein fatales politisches Signal. Denn es würde ausgerechnet inmitten von Tierheimüberlastung, Skandalen um Tierquälerei und gesellschaftlicher Sensibilisierung bedeuten, dass die Politik einen Schritt zurück macht. [8] Die Tierschutzseite argumentiert, dass Deutschland sich eine solche Kapitulation vor den Problemen unserer Zeit nicht leisten dürfe. [8] Noch ist unklar, wie die Regierung entscheiden wird. Immerhin: Der öffentliche Protest zeigte erste Wirkung – zunächst wurde angekündigt, dass das Amt vorerst weiterbestehen soll. [9] Doch ohne feste gesetzliche Verankerung und mit einem agrarfreundlichen Ministerium bleibt die Zukunft der Bundestierschutzbeauftragten ungewiss. Die kommenden Monate dürften daher entscheidend sein, ob diese kontroverse Einrichtung dauerhaft Bestand hat oder dem Druck der Lobby weichen muss.

Dr. Ariane Désirée Kari, die erste Bundestierschutzbeauftragte, bei ihrer Vorstellung im Juni 2023. Ihr Amt steht zwischen den Fronten: Tierschutzverbände loben ihre Unabhängigkeit und Fachlichkeit, während Agrarvertreter sie als entbehrliche „Wettbewerbsbehörde“ betrachten (Foto: Carsten Koall/dpa) [4]

GERATI Standpunkt: Warum das Amt der Bundestierschutzbeauftragten in seiner jetzigen Form gescheitert ist

Aus Sicht von GERATI ist das Amt der Bundestierschutzbeauftragten in seiner derzeitigen Form nicht nur überflüssig, sondern in hohem Maße problematisch. Eine politische Position, die eigentlich zwischen verschiedenen Interessen vermitteln und Tierschutz auf sachlicher Ebene stärken sollte, ist unter der aktuellen Amtsinhaberin zur Einbahnstraße geworden – mit klarer Schlagseite in Richtung radikaler Tierrechtsideologie. Dass eine politische Funktion im Bundeslandwirtschaftsministerium von einer Person ausgeübt wird, die durch Veröffentlichungen in engem Kontext zu PETA steht – einer Organisation, die nicht nur mit Skandalen um fragwürdige Tötungspraktiken, sondern auch mit ideologischer Nähe zu extremistischen Gruppen wie der Reichsbürgerbewegung in Erscheinung trat (etwa in der Hetzkampagne gegen den Erlebnis-Zoo Hannover) [11] [12] – wirft erhebliche Fragen auf.

Gerade weil die Bundestierschutzbeauftragte eine Vermittlerrolle zwischen Tierhaltern, Tierschützern, Politik und Gesellschaft einnehmen sollte, ist es fatal, wenn sie sich von Anfang an demonstrativ auf die Seite radikaler Aktivisten stellt. Statt Brücken zu bauen, werden Fronten verhärtet. Das schadet dem seriösen Tierschutz und dem gesellschaftlichen Diskurs. Hinzu kommt: Der Tierschutz ist laut Grundgesetz in erster Linie Ländersache. Eine zusätzliche, vom Bundesministerium finanzierte Position – mit einem Budget von immerhin rund 258.000 Euro jährlich – wäre besser direkt in die Strukturen der Bundesländer investiert worden, wo Tierheime, Veterinärämter und Kontrollbehörden seit Jahren unter Personalmangel und Überlastung leiden.

Statt einer ideologisch aufgeladenen Bundesstelle braucht es echte Lösungen vor Ort – und Menschen, die nicht mit Aktivistenflagge auftreten, sondern bereit sind, Kompromisse zu finden und Tierschutz als gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu sehen. So, wie es ursprünglich gedacht war.

Fazit

Die Diskussion um das Amt der Bundestierschutzbeauftragten zeigt eindrücklich, wie stark politische Posten ideologisch aufgeladen sein können – gerade dann, wenn es um emotional besetzte Themen wie Tierschutz geht. Was als Vermittlungsstelle gedacht war, droht zu einem Sprachrohr radikaler Tierrechtspositionen zu verkommen. Dabei braucht der Tierschutz keine weitere Polarisierung, sondern einen sachlichen, lösungsorientierten Dialog auf Augenhöhe – mit allen Beteiligten.

Wir von GERATI haben uns beide Seiten angesehen und unsere Kritik offen formuliert. Doch wie sehen Sie das? Sollte das Amt überarbeitet, abgeschafft oder sogar gestärkt werden? Schreiben Sie uns Ihre Meinung – sachlich, ehrlich und gern kontrovers – unten in die Kommentare. Wir freuen uns auf den Austausch!

Quellen:

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