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In der Berichterstattung über tragische Ereignisse ist journalistische Sorgfalt besonders gefragt. Doch nicht immer gelingt es Medien, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Der vorliegende Artikel nimmt den RTL-Beitrag zur Tigerattacke im Tierpark Nadermann unter die Lupe – und zeigt auf, wie schnell sich Berichterstattung in einseitige Parteinahme verwandeln kann. Im Zentrum der Kritik steht die unkommentierte Übernahme einer PETA-Strafanzeige, deren juristischer Ausgang ungeklärt bleibt. Warum das problematisch ist, welche Strategie PETA seit Jahren verfolgt – und warum Journalismus mehr leisten muss als bloße Empörungsweitergabe, analysiert dieser Beitrag.
Wenn Medien Meinungen machen statt Fragen zu stellen
Der RTL-Artikel zur tragischen Tigerattacke im Tierpark Nadermann in Delbrück gibt sich auf den ersten Blick sachlich. Doch schon im Unterton offenbart sich eine journalistische Schlagseite: RTL berichtet, dass PETA den Zoo „schon vor Monaten“ angezeigt habe. Das klingt nach Weitsicht oder gar prophetischem Engagement. Was jedoch verschwiegen wird: Die Erfolgsquote von PETA-Strafanzeigen ist mehr als dürftig. In nahezu allen dokumentierten Fällen werden sie von den Behörden eingestellt – ohne Anklage, ohne juristische Folgen.
Statt eine kritische Einordnung zu leisten, dient der Verweis auf PETA offenbar als moralischer Verstärker der Empörung. Damit wird nicht nur suggeriert, dass PETA „vorher schon gewarnt“ habe, sondern auch, dass man ihre Einschätzungen als gegeben hinnehmen könne. Diese journalistische Verkürzung ersetzt kritisches Hinterfragen durch einseitige Deutung – und wird dem komplexen Thema nicht gerecht.
PETA und die Strategie der Strafanzeige: Aufmerksamkeit um jeden Preis
PETA ist bekannt dafür, mit drastischen Bildern, emotionalen Kampagnen und provokanten Aktionen Aufmerksamkeit zu generieren. Strafanzeigen sind dabei ein zentrales Werkzeug: regelmäßig richtet sich die Organisation gegen Zoos, Tierhalter, Zirkusse oder Unternehmen. Die rechtliche Substanz dieser Anzeigen scheint dabei zweitrangig – im Fokus steht vielmehr die erzeugte Öffentlichkeit.
In der überwiegenden Mehrheit werden diese Anzeigen von Staatsanwaltschaften eingestellt. Die Gründe sind vielfältig: fehlender Tatverdacht, unzureichende Beweislage oder die Tatsache, dass die Vorwürfe auf subjektiven Einschätzungen statt auf objektiven Kriterien beruhen. Ein Beispiel: Im Jahr 2022 stellte PETA über 130 Strafanzeigen – öffentlich bekannt gewordene Anklagen oder gar Verurteilungen: Fehlanzeige.
In Deutschland kann grundsätzlich jeder eine Strafanzeige stellen – auch wiederholt und ohne eigene juristische Folgen. Für PETA ist das ein kalkulierter PR-Hebel. Denn während Ermittlungen aufgenommen werden müssen, bleibt bei der Öffentlichkeit oft der Eindruck bestehen: „Wenn da ermittelt wird, muss doch etwas dran sein.“ Dass sich die Vorwürfe später als haltlos herausstellen, interessiert medial meist niemanden mehr.
Der Fall Zoo Hannover: Manipulation statt Aufklärung
Ein besonders aufschlussreiches Beispiel ist der Fall des Erlebnis-Zoos Hannover im Jahr 2017. PETA veröffentlichte ein Video, das angeblich systematische Gewalt gegenüber Elefanten durch Zoo-Pfleger dokumentieren sollte. Unterlegt mit dramatischer Musik und aus dem Zusammenhang gerissenen Szenen, wurde das Material schnell zum medialen Aufreger.
Die Staatsanwaltschaft Hannover nahm Ermittlungen auf – und stellte sie wieder ein. Der Grund: Das Material war manipulativ. Wichtige Kontexte fehlten, die gezeigten Szenen waren nicht als Tierquälerei zu bewerten. Auch eine Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle wurde zurückgewiesen. Es liege kein strafbares Verhalten vor.
Doch der mediale Schaden war längst angerichtet. Wochenlang dominierte der Vorwurf die Berichterstattung, PETA sammelte Spenden und Aufmerksamkeit. Ein klassisches Beispiel dafür, wie Kampagnenwirkung auch ohne juristische Grundlage enorme Reichweite erzielen kann – und wie schwer sich solche Bilder aus dem öffentlichen Bewusstsein wieder entfernen lassen.
RTL als Sprachrohr statt kritischer Beobachter?
Vor diesem Hintergrund ist es mehr als fragwürdig, dass RTL in seinem Artikel zur Tigerattacke ungeprüft auf eine frühere PETA-Strafanzeige verweist. Es fehlt an jeder kritischen Distanz: Kein Hinweis darauf, wie häufig solche Anzeigen ins Leere laufen. Keine Nachfrage zu Inhalt oder Bearbeitungsstand. Kein Bezug zu vergleichbaren Fällen.
Die Wirkung ist klar: Dem Leser wird suggeriert, dass PETA gewarnt habe – und man auf sie hätte hören müssen. Doch ob die Anzeige konkrete Missstände benannte, ob sie in direktem Zusammenhang zur Tigerattacke stand oder ob sie gar bereits eingestellt wurde – all das bleibt unerwähnt. Damit reproduziert RTL ein Narrativ, das PETAs Sichtweise ohne Einordnung übernimmt.
Journalistisch verantwortungsvoll wäre es gewesen, genau an diesem Punkt zu differenzieren. Denn gerade bei Vorwürfen, die potenziell rufschädigend sind, braucht es sorgfältige Recherche. Die bloße Erwähnung einer Anzeige ersetzt kein Urteil – und keine objektive Wahrheit.
Die Verantwortung der Medien: Zwischen Information und Meinungsmache
Medien tragen Verantwortung – besonders bei emotionalen Themen wie Tierhaltung, Tierschutz oder Unfällen mit Wildtieren. Hier ist es besonders wichtig, faktenbasiert zu berichten, Perspektiven zu prüfen und keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen.
Wenn sich Redaktionen jedoch als Verstärker von Aktivismus begreifen, schwindet die journalistische Integrität. Die Folge ist eine gefährliche Verwischung der Grenzen zwischen Bericht und Meinung. Leserinnen und Leser glauben, objektiv informiert zu werden, während sie in Wahrheit einseitige Darstellungen erhalten.
Der RTL-Artikel zur Tigerattacke ist hierfür ein Beispiel. Anstatt journalistisch zu prüfen, stellt er eine suggestive Verbindung zwischen dem tragischen Vorfall und einer PETA-Anzeige her – ohne diese Verbindung zu belegen oder zu hinterfragen. Damit wird PETA nicht nur legitime Akteurin, sondern auch moralische Instanz – ungeachtet ihrer zweifelhaften Erfolgsbilanz.
Fazit: Einseitigkeit ist keine Aufklärung
Der Fall zeigt deutlich, wie gefährlich journalistische Oberflächlichkeit sein kann. PETA nutzt Strafanzeigen als PR-Mittel – mit kaum belegbarer juristischer Wirksamkeit. Dass ein großes Medium wie RTL diese Taktik unterstützt, indem es sie unkommentiert übernimmt, ist bedenklich.
Denn es legitimiert eine Strategie, die auf Empörung, emotionalem Druck und Vorverurteilung basiert – aber nicht auf Fakten oder Rechtssicherheit. Journalismus muss genau hier gegensteuern: durch Differenzierung, Recherche und Einordnung.
Strafanzeigen sind keine Urteile. Und Kampagnenrhetorik ist kein Beweis. Wenn Medien das nicht erkennen – oder bewusst ignorieren –, wird aus Information Meinung. Und aus Journalismus wird PR mit Senderlogo.
Quellen:
- RTL – Tierpflegerin (33) von Tiger attackiert! PETA hat den Park vor Monaten angezeigt! – https://www.rtl.de/news/delbrueck-nach-tiger-attacke-im-tierpark-nadermann-peta-hat-den-park-vor-monaten-angezeigt-id4358591.html
- GERATI – Tiger-Angriff in NRW: Wenn Sicherheitslücken zur Gefahr werden – https://gerati.de/2025/05/12/tiger-angriff-in-nrw-sg56/
- GERATI – Schockierende Enthüllungen: 5 kritische Fakten über PETA und seine Finanzpraktiken und Strukturen – https://gerati.de/2024/05/20/5-kritische-fakten-ueber-peta/
- GERATI – PeTA vs. Zoo Hannover – https://gerati.de/2017/04/06/peta-vs-zoo-hannover/
- GERATI – PeTA mutiert zur Lachnummer der Medien – https://gerati.de/2018/06/08/peta-mutiert-zur-lachnummer-der-medien/