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Tierschutzverstöße Schweinezuchtbetrieb – ein Schlagwort, das derzeit durch die Medien rauscht. Heimlich gefilmte Aufnahmen aus einem Schweinezuchtbetrieb im Märkischen Kreis zeigen verletzte Tiere, tote Ferkel und Zustände, die zweifellos Fragen aufwerfen. Doch bei aller berechtigten Empörung über Missstände in der Tierhaltung darf man eines nicht vergessen: Noch liegt keine Verurteilung vor. Trotzdem wird ein Landwirt bereits öffentlich an den Pranger gestellt – mit vollem Namen, Ortsangabe und Funktion im Bauernverband.
Die Organisation Aninova veröffentlichte das Material, QS reagierte mit einem Sonderaudit, und das Veterinäramt bestätigte gravierende Mängel. Der Betrieb wurde umgehend aus dem QS-System ausgeschlossen, ein Sanktionsverfahren läuft. So weit, so verständlich. Doch der Fall offenbart ein viel tieferes Problem – nämlich das systemische Versagen der Veterinäramt Kontrolle und der Behörden, die eigentlich genau solche Situationen verhindern sollen.
Behördenversagen statt Einzelfall
Wenn ein Veterinäramt selbst einräumt, dass ein Betrieb „bereits in der Vergangenheit negativ aufgefallen“ sei, stellt sich unweigerlich die Frage: Welche Auflagen wurden damals erteilt – und wer hat deren Umsetzung überhaupt überprüft? Dass viele Veterinärämter unter chronischem Personalmangel leiden, ist kein Geheimnis. Statt in funktionierende Tierschutzkontrollen zu investieren, bauen Kommunen lieber Ordnungsämter aus oder gründen sogenannte Polizeibehörden, die Falschparker jagen.
Währenddessen fehlt es an Personal, um tiergerechte Sauenhaltung regelmäßig und gründlich zu kontrollieren. Das Ergebnis: Betriebe geraten erst dann in den Fokus, wenn radikale Tierrechtsgruppen mit Kamera und Empörung auftauchen. Hier läuft gewaltig etwas schief – und zwar nicht nur im Stall, sondern in der Verwaltung.
Öffentliche Vorverurteilung statt Sachaufklärung
Besonders perfide ist der Umgang der Öffentlichkeit mit dem betroffenen Landwirt. Obwohl die Ermittlungen noch laufen, wird er bereits als Symbolfigur für Tierleid dargestellt. Sätze wie „Er ist zugleich im nördlichen Rheinland-Pfalz als Geschäftsführer für den Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau tätig“ oder „Die Organisation kritisierte, dass der Tierhalter in seiner Funktion … mangelnde Verantwortung gegenüber den Tieren zeige“ schaffen einen Pranger-Effekt, der mit Aufklärung nichts mehr zu tun hat.
Natürlich müssen Verstöße gegen den Tierschutz aufgeklärt und sanktioniert werden. Aber es ist ebenso wichtig, dass dies auf Grundlage von Fakten geschieht – nicht durch Empörungswellen auf Instagram mit über 500.000 Aufrufen. Das Prinzip der Unschuldsvermutung gilt auch für Landwirte. Es ist erschreckend, wie schnell ein Mensch – selbst aus den Reihen der Agrarlobby – zum öffentlichen Feindbild werden kann.
Das System QS und seine Schattenseiten
QS hat nach Bekanntwerden der Vorwürfe schnell reagiert, den Betrieb ausgeschlossen und den verantwortlichen Auditor gesperrt. Das klingt konsequent – doch es wirft auch Fragen auf. Wie kann es sein, dass ein vorheriges Audit nur wenige Tage zuvor keinerlei Mängel feststellte? Offensichtlich musste erst ein „Sonderaudit“ her, um „untragbare Zustände“ zu erkennen.
Die QS-Geschäftsstelle spricht in diesem Zusammenhang von einer „Kontrolle der Kontrolle“. Ein schöner Euphemismus für das Eingeständnis, dass die erste Kontrolle schlicht versagt hat. Wenn ein Prüfsystem nur funktioniert, weil es sich selbst nachkontrollieren muss, ist das kein Qualitätsmerkmal, sondern ein strukturelles Problem.
Verantwortung tragen heißt Missstände beseitigen
Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau verweist darauf, der Betrieb sei „nicht bekannt, da in Nordrhein-Westfalen“. Eine Aussage, die symptomatisch für das gesamte System steht: Verantwortung wird weitergeschoben, Zuständigkeiten verschwimmen. Dabei müsste gerade die Agrarlobby selbst ein Interesse daran haben, dass schwarze Schafe identifiziert und Missstände beseitigt werden.
Doch anstatt sich für mehr Personal in den Veterinärämtern starkzumachen, um Tierschutzverstöße künftig präventiv zu verhindern, schweigt man lieber – aus Angst, sich selbst ins eigene Fleisch zu schneiden.
Fazit
Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass die größten Probleme im Tierschutz nicht in den Ställen, sondern in den Amtsstuben liegen. Behörden, die „bekannte“ Betriebe trotz wiederholter Auffälligkeiten nicht ausreichend kontrollieren, haben ihre Aufgabe verfehlt. Und eine Öffentlichkeit, die Menschen vorverurteilt, bevor Gerichte entschieden haben, trägt zur Eskalation bei.
Statt auf Empörungsvideos und moralische Schnellurteile zu setzen, wäre es an der Zeit, über strukturelle Lösungen zu sprechen: mehr Personal, bessere Schulungen, echte Konsequenzen – für alle Beteiligten. Denn nur so kann aus einem Skandal wie diesem ein Fortschritt werden.
Quellen:
- agrarheute – Tierschutzverstöße durch Landwirt und Verbandsmitarbeiter? QS reagiert – https://www.agrarheute.com/tier/schwein/tierschutzverstoesse-landwirt-verbandsmitarbeiter-qs-reagiert-637280
- GERATI – Landwirt aus Leer angezeigt: Ermittlungen laufen noch – Whistleblower oder Tierschutz-Inszenierung? – https://gerati.de/2025/02/18/landwirt-aus-leer-angezeigt-ermittlungen-laufen-noch-wxle/
