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Die Bartgeier sind zurück – und mit ihnen viele Fragen
Die Bartgeier-Auswilderung im Nationalpark Berchtesgaden hat im Mai 2025 mit der fünften Freilassung von zwei Jungvögeln – „Generl“ und „Luisa“ – einen neuen Meilenstein erreicht. Insgesamt wurden seit dem Projektstart im Jahr 2021 zehn Bartgeier erfolgreich ausgewildert (nationalpark-berchtesgaden.bayern.de, ANTENNE BAYERN, Süddeutsche.de, RiffReporter).
Die öffentliche Wahrnehmung: Ein großer Erfolg für den Artenschutz – so lautet zumindest das mediale Echo. „Ein beeindruckendes Signal für unsere Umweltpolitik“, titelte etwa die Süddeutsche Zeitung. Doch so positiv die Bartgeier-Auswilderung dargestellt wird – sie wirft auch unbequeme Fragen auf. Insbesondere die Rolle großer Tierrechtsorganisationen wie PETA, die sich zu den komplexen Aspekten dieses Projekts kaum äußern, bleibt fragwürdig. Dieser Artikel geht diesen Fragen auf den Grund und beleuchtet kritisch, was gerne übersehen wird.
Die Geschichte des Bartgeiers: Ausrottung und Rückkehr
Der Bartgeier (Gypaetus barbatus) war Anfang des 20. Jahrhunderts in den Alpen ausgerottet. Fehlannahmen über sein Verhalten – etwa dass er Lämmer reiße – führten zu systematischer Verfolgung. In Kombination mit Umweltgiften und schwindenden Lebensräumen verschwanden die Tiere vollständig aus den deutschen Alpen.
Seit den 1980er Jahren laufen Wiederansiedlungsprogramme in Frankreich, Österreich, der Schweiz und Italien. In Bayern begann der Versuch 2021 mit dem Ziel, die Lücke im östlichen Alpenbogen zu schließen. Das Klausbachtal im Nationalpark Berchtesgaden wurde als idealer Ort für den Neustart ausgewählt.
Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) koordiniert das Projekt mit Unterstützung von Zuchtstationen und Partnern wie dem VCF (Vulture Conservation Foundation). Neben dem Artenschutz spielt auch die Bildung der Bevölkerung eine Rolle – viele Schulklassen und Touristen verfolgen die Wiederansiedlung mit großem Interesse.
Die Auswilderung: Zwischen Technik und Tierethik
Die „Hacking-Methode“ ist eine bewährte Technik aus der Falknerei, die heute für den Artenschutz adaptiert wurde. Dabei werden junge Bartgeier, die in Zuchtstationen aufgewachsen sind, in Felsnischen im Klausbachtal untergebracht. Dort verbringen sie mehrere Wochen, bis sie selbstständig fliegen und jagen können. Die Fütterung erfolgt ohne Sichtkontakt zum Menschen.
Diese Methode reduziert die Prägung auf den Menschen und erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit. Studien zeigen, dass bis zu 96 % der Vögel das zweite Lebensjahr erreichen – eine beeindruckende Quote. Doch ethisch wirft die Methode Fragen auf: Wie viel Kontrolle üben wir über wildlebende Tiere aus, wenn wir über ihr gesamtes erstes Lebensjahr entscheiden? Ein Beispiel: In manchen Fällen müssen Tiere nachträglich eingefangen werden, wenn technische Probleme mit den Sendern auftreten – was zusätzlichen Stress bedeutet.
Ein weiterer Aspekt: Die Transporte über Landesgrenzen hinweg, teils mit Flugzeugen, verursachen Stress. Auch das medizinische Management – inklusive Senderimplantationen – ist nicht unumstritten. Tierrechtsorganisationen wie PETA, die sonst lautstark gegen jede Form von Gefangenschaft und Manipulation protestieren, schweigen in diesem Fall auffällig.
Beobachtungen und erste Erfolge im Freiland
Seit 2021 wurden insgesamt zehn Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden ausgewildert. Ihre Bewegungen werden per GPS-Tracking dokumentiert. Die Vögel zeigen beeindruckende Flugleistungen: Einige durchquerten bereits mehrere Alpenländer, kehrten aber in die Auswilderungsregion zurück.
Besondere Aufmerksamkeit erhielten „Nepomuk“ und „Recka“, deren Verhalten durch Webcams und Sendeberichte von der Öffentlichkeit mitverfolgt werden konnte. Beide zeigten ein überraschend starkes Standortverhalten – was Experten als gutes Zeichen für eine künftige Revierbildung werten. 2024 wurde erstmals ein wild geschlüpftes Küken in der Nähe gesichtet – ein echter Meilenstein. Damit scheint klar: Die Wiederansiedlung funktioniert, erste Brutpaare könnten sich in den kommenden Jahren dauerhaft etablieren.
Trotzdem ist der Erfolg noch fragil. Naturgefahren wie Schneefall, Nahrungsknappheit oder Windböen führten bereits zu Verlusten. Auch Vergiftungen durch Blei oder illegale Abschüsse bleiben eine Bedrohung.
Naturschutz mit Signalwirkung – aber auch mit Lücken?
Die Bartgeier-Auswilderung hat Leuchtturmcharakter für den internationalen Artenschutz. Sie zeigt, wie grenzübergreifende Zusammenarbeit und langfristige Planung positive Ergebnisse bringen können. Zugleich ist sie Symbol eines Strategiewechsels im Naturschutz: weg von Totalreservaten, hin zur aktiven Wiederherstellung verlorener Arten.
Gleichzeitig steht das Projekt in Konkurrenz zu anderen Initiativen. Es bindet erhebliche Mittel, Aufmerksamkeit und Personal. Kritiker warnen vor einer Fokussierung auf charismatische Megafauna, während unscheinbare, aber ökologisch wichtige Arten – wie bestimmte Insekten oder Amphibien – oft vernachlässigt werden. Der Landesbund für Vogelschutz versucht hier gegenzusteuern, indem er das Projekt in einen ganzheitlichen Schutzkontext einbettet.
Beteiligung und Transparenz: Was Bürgerinnen und Bürger tun können
Das Projekt ist bewusst transparent gestaltet. Eine Live-Webcam gibt Einblick in die Nistnischen. Die Wege der Vögel sind über öffentlich zugängliche GPS-Tracking-Daten nachvollziehbar. Infotafeln, Schulmaterialien und Führungen machen die Bartgeier-Auswilderung auch zu einem Bildungsprojekt für Naturliebhaber.
Wer möchte, kann sogar „Pate“ eines Geiers werden – eine Maßnahme, die Spenden generiert, aber auch emotionale Bindung schafft. Die Sichtbarkeit und Zugänglichkeit machen das Projekt besonders – sie binden Bürger direkt in den Artenschutz ein.
Fazit: Was bleibt – und worüber geschwiegen wird
Die Bartgeier-Auswilderung im Nationalpark Berchtesgaden ist ein ambitioniertes Projekt mit vielen Facetten: ökologisch, ethisch, politisch. Sie zeigt, dass die Rückkehr ausgestorbener Arten möglich ist – wenn sie gewollt, geplant und getragen wird. Sie zeigt aber auch, dass Wiederansiedlung kein Selbstläufer ist. Vieles bleibt abhängig von menschlicher Überwachung, Geld und gesellschaftlichem Willen.
Gerade weil das Projekt auf so breite Zustimmung stößt, braucht es kritische Reflexion. Warum schweigen große Tierrechtsorganisationen wie PETA zu einer Maßnahme wie der Bartgeier-Auswilderung, obwohl sie ansonsten öffentlichkeitswirksam und oft übertrieben polemisch gegen Zoos und deren Zuchtprogramme argumentieren? Geht es PETA letztlich nur um pauschale, symbolische Kritik, während erfolgreiche Artenschutzprojekte – insbesondere wenn Zoos daran beteiligt sind – lieber totgeschwiegen werden? Die selektive Empörung wirft die Frage auf, ob es wirklich um das Tierwohl geht oder eher um ideologisch motivierte Kampagnen.
Wer sich für Natur- und Artenschutz interessiert, sollte hinschauen – und hinterfragen. Denn das Ziel muss sein, Lösungen zu schaffen, die sowohl der Art als auch dem Individuum gerecht werden.
👉 Konkrete Handlungsempfehlung: Informiere dich über regionale Schutzprojekte, unterstütze Initiativen vor Ort – oder bring dich aktiv in die Diskussion ein.
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