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Mit der Kampagne Kein Recht auf Mord erhebt PETA Deutschland erneut schwere Vorwürfe gegen die industrielle Fleischproduktion. Die Organisation spricht von einem systematischen Krieg des Menschen gegen Tiere – Millionen würden täglich geboren, nur um nach kurzer Zeit getötet zu werden. Besonders drastisch ist das angeführte Beispiel aus einem Schlachthof der Rothkötter Gruppe: 432.000 Hühner pro Tag, 18.000 pro Stunde, 300 pro Minute.
Die Botschaft ist klar: Töten für Profit oder „Gaumenkitzel“ sei kein vernünftiger Grund im Sinne des §17 Tierschutzgesetz. Mit bundesweiten Strafanzeigen PETA gegen führende Schlachtbetriebe Deutschland will die Organisation die rechtliche Zulässigkeit des industriellen Tötens grundsätzlich infrage stellen. Doch während PETA die industrielle Tötungsmaschinerie anprangert, entstehen gleichzeitig kritische Rückfragen zur eigenen Praxis, die in der öffentlichen Debatte oft ausgeblendet bleiben.
Zahlen, Vorwürfe und juristische Offensive
Die Kampagne rückt die Dimensionen der Massentötung Hühner ins Zentrum. Die genannten Zahlen aus dem Rothkötter-Konzern sind bewusst so gewählt, dass sie emotional wirken – und das tun sie. Was abstrakt klingt, wird durch Minuten- und Sekundenangaben greifbar. PETA nutzt diese Dramatisierung gezielt, um die industrielle Tierhaltung als ethischen Skandal darzustellen.
Rechtlich greift die Organisation den Kern des Tierschutzrechts an. §17 des Tierschutzgesetzes erlaubt das Töten von Tieren nur bei Vorliegen eines vernünftigen Grundes. PETA argumentiert, dass weder Geschmack noch wirtschaftlicher Gewinn einen solchen Grund darstellen. Die gestellten Strafanzeigen sollen diese Grundsatzfrage vor Gerichten erzwingen. Die Tierrechtskampagne zielt damit weniger auf einzelne Betriebe als auf die Legitimität des gesamten Systems.
Gleichzeitig verknüpft PETA die Kampagne mit medialem Druck: Verweise auf die sechste Tierrechtskonferenz auf YouTube, direkte Aufrufe zum Teilen der Inhalte und ein umfassender FAQ-Katalog sollen Reichweite erzeugen und politische Wirkung entfalten.
Moralische Totalanklage statt differenzierter Debatte
Die Argumentationslinie folgt einem klaren Muster: Leid, Zahlen, Empörung, Strafanzeige. Graustufen oder Alternativen tauchen kaum auf. In der Darstellung wird das gesamte Fleischsystem als moralisch illegitim verworfen. Die industrielle Schlachtung erscheint nicht als reformbedürftiger Missstand, sondern als grundsätzlich verwerfliches Verbrechen.
Diese Radikalität ist Teil der Strategie. PETA will nicht verbessern, sondern beenden. Der Begriff „Mord“ wird bewusst gewählt, um das Töten von Tieren moralisch auf eine Ebene mit schweren Kapitalverbrechen zu stellen. Damit verlässt die Kampagne den Boden klassischer Tierschutzargumentation und bewegt sich eindeutig im tierrechtlichen Absolutheitsanspruch.
Die unbequeme Gegenfrage: Töten nur bei den „anderen“?
Genau hier entzündet sich die Kritik, die auch bei GERATI immer wieder gestellt wird: Wenn Töten grundsätzlich kein vernünftiger Grund sein darf – wie ist dann das eigene Handeln zu bewerten, wenn Tiere getötet werden, obwohl sie weder krank noch aus medizinischen Gründen eingeschläfert werden müssen?
Diese Frage ergibt sich nicht aus Spekulation, sondern aus der grundsätzlichen Logik der Kampagne. Wer das Töten aus Profit oder Genuss kategorisch verurteilt, setzt einen absoluten ethischen Maßstab. An diesem Maßstab müssen sich dann nicht nur Schlachtbetriebe, sondern auch Tierrechtsorganisationen selbst messen lassen.
Die PETA-Kampagne blendet diese Spannung vollständig aus. Im öffentlichen Auftreten entsteht der Eindruck moralischer Eindeutigkeit: hier die Täter, dort die Kämpfer für Gerechtigkeit. Doch genau diese Schwarz-Weiß-Logik verhindert eine ehrliche gesellschaftliche Auseinandersetzung über reale Zielkonflikte, rechtliche Grenzen und ethische Widersprüche.
Fazit
Die Kampagne Kein Recht auf Mord ist kommunikativ wirksam, juristisch ambitioniert und emotional zugespitzt. Mit Verweis auf Schlachtbetriebe Deutschland, die Zahlen der Rothkötter Gruppe, die Berufung auf den §17 Tierschutzgesetz und die bundesweiten Strafanzeigen PETA will die Organisation eine Grundsatzentscheidung über die Legitimität industrieller Tiernutzung erzwingen. Die industrielle Tierhaltung wird dabei als durchgehend illegitimes System dargestellt, die Massentötung Hühner als tägliches Massenverbrechen inszeniert.
Gleichzeitig bleibt die Kampagne genau an der Stelle unvollständig, an der sie besonders unbequem würde: bei der konsequenten Anwendung des eigenen Maßstabs auch auf das eigene Handeln. Wer das Töten von Tieren grundsätzlich als moralisch unzulässig erklärt, kann diese Maxime nicht selektiv anwenden. Die Debatte um Tötungen außerhalb der Fleischindustrie gehört zwingend dazu – wird hier aber systematisch ausgeklammert.
Damit bleibt die Tierrechtskampagne effektiv in der Mobilisierung, aber angreifbar in ihrer inneren Konsequenz. Empörung ersetzt keine vollständige ethische Bilanz. Und genau diese Differenzierung ist es, die eine ernsthafte gesellschaftliche Diskussion über Tiere, Recht und Verantwortung dringend bräuchte.
Quellen:
- PETA Deutschland – FAQ zu unserer Kampagne „Kein Recht auf Mord – Die Realität hinter Fleisch“ – https://www.linkedin.com/posts/petadeutschland_faq-zu-unserer-kampagne-kein-recht-auf-mord-activity-7403455779367972864-Myj0/?originalSubdomain=de
- GERATI – Fleisch essen ist gesellschaftsfeindlich – https://gerati.de/2017/07/27/fleisch-essen-ist-gesellschaftsfeindlich/
