Artenschutz oder Tierrechtsillusion? PETA und die Doppelmoral der Wildtierschutz-Kampagnen

Von Silvio Harnos, GERATI – 17.06.2025

Einleitung

People for the Ethical Treatment of Animals (PETA) gilt als eine der bekanntesten Tierrechtsorganisationen weltweit. Mit provokanten Kampagnen und schlagzeilenträchtigen Aktionen positioniert sich PETA als Anwalt der Tiere – doch wie viel klassischer Tierschutz und nachhaltiger Artenschutz steckt tatsächlich dahinter? Kritiker werfen PETA eine Doppelmoral vor: Unter dem Deckmantel des Wildtier- und Artenschutzes generiere die Organisation vor allem mediale Aufmerksamkeit und Spendengelder, ohne sich nachhaltig um den praktischen Schutz von Wildtieren oder den Erhalt bedrohter Arten zu kümmern. Statt konkrete Schutzprojekte zu fördern, setze PETA auf drastische Vergleiche, Skandal-Kampagnen und Prominenz, so der Vorwurf. Dieser Artikel beleuchtet kritisch, ob PETA eher ein Segen für den Artenschutz ist – oder doch nur eine Tierrechtsillusion mit zweifelhaften Methoden.

PETA – Provokation statt nachhaltigem Tierschutz?

PETA wurde 1980 in den USA gegründet und hat mittlerweile weltweit Millionen Unterstützer. Die Organisation fällt von Beginn an durch radikale Forderungen und geschicktes PR-Marketing auf. Ihr Ansatz unterscheidet sich fundamental vom traditionellen Tierschutz: PETA vertritt eine Tierrechtsposition, die Tiere rechtlich und moralisch dem Menschen gleichstellt. In der Praxis bedeutet dies, dass PETA jede Nutzung von Tieren – ob in Ernährung, Kleidung, Unterhaltung oder Forschung – strikt ablehnt. Diese kompromisslose Haltung manifestiert sich in Kampagnen, die häufig gezielt schockieren und Tabus brechen, um maximale Aufmerksamkeit zu erzielen. Doch wie weit darf Provokation im Namen der Tiere gehen? Und erreicht PETA damit wirklich Verbesserungen für Wildtiere und Artenschutz – oder vor allem öffentliche Empörung, die in klingende Münze umgewandelt wird?

Kontroverse Kampagnen: Vom „Holocaust auf dem Teller“ bis zur Hinrichtungsforderung

Ein zentrales Element von PETAs globaler Strategie sind aufsehenerregende Kampagnen, die oft Vergleiche mit menschlichem Leid ziehen oder anderweitig provozieren. Einige Beispiele dieser umstrittenen Aktionen umfassen:

  • „Holocaust auf Deinem Teller“ (2003): Eine Wanderausstellung und Plakatserie, in der PETA das industrielle Schlachten von Tieren mit dem Holocaust gleichsetzte. Auf 18 m² großen Tafeln wurden Fotos aus Konzentrationslagern neben Bilder von Massentierhaltungen montiert – etwa gestapelte Leichen von KZ-Opfern neben toten Schweinen aus dem Schlachthof. Dieser Vergleich löste international Entsetzen aus, da er den NS-Massenmord an den Juden verharmlost und instrumentalisierte. Jüdische Organisationen sowie das Holocaust-Museum in Washington protestierten heftig, ebenso andere Tierschützer. In den USA weigerten sich viele TV-Sender, PETAs Werbespot auszustrahlen. Die Kampagne wurde schließlich in Deutschland auf Betreiben des Zentralrats der Juden gerichtlich verboten. Das Bundesverfassungsgericht stellte 2009 klar, dass die Gleichsetzung von Holocaust-Opfern mit Tieren eine Verletzung der Menschenwürde darstellt. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte 2012 das Verbot als gerechtfertigt, da die Aktion die Persönlichkeitsrechte der Holocaust-Überlebenden beeinträchtigte.

  • Vergleich mit der Sklaverei (2005): In einer weiteren Kampagne setzte PETA die Ausbeutung von Tieren mit der Versklavung von Afroamerikanern gleich. Solche Analogien stießen ähnlich auf scharfe Kritik wie der Holocaust-Vergleich, da sie historisches menschliches Leid für schockierende Effekte im Tierschutzinstrumentarium nutzen. Bürgerrechtler und Medien warfen PETA vor, durch derartige Vergleiche das Leid von Minderheiten zu relativieren – ein hoher Preis für ein wenig Aufmerksamkeit.

  • Sex sells: Nackt-Proteste und Erotik-Aktionen: PETA macht immer wieder durch freizügige Kampagnen auf sich aufmerksam. Unter dem Motto „Lieber nackt als im Pelz“ posierten Prominente unbekleidet, um gegen Pelzmode zu protestieren. Obwohl solche Aktionen großes Medienecho finden, wird PETA hier Doppelmoral vorgeworfen: Tierschutzbotschaften würden mit sexualisierter Darstellung verkauft, was teils als sexistisch kritisiert wird. Auch fragt man sich, inwiefern halbnackte Models wirklich zum Schutz von Wildtieren beitragen – oder doch primär PETAs Markenbekanntheit steigern.

  • Aufruf zur Hinrichtung eines Jägers (2015): Als der US-Zahnarzt Walter Palmer in Simbabwe den Löwen Cecil erschoss, kochte die Empörung weltweit hoch. PETA-Präsidentin Ingrid Newkirk setzte dem die Krone auf, indem sie öffentlich forderte, man solle den verantwortlichen Hobbyjäger „vorzugsweise aufhängen“, falls er illegal gejagt habe. „Jagd ist das feige Hobby von Sadisten“, wetterte Newkirk in ihrer Stellungnahme. Selbst eingefleischte Tierfreunde zeigten sich von dieser radikalen Vergeltungsrhetorik schockiert. Schließlich propagiert PETA sonst die ethische Behandlung aller Lebewesen – fordert aber hier die Todesstrafe für einen Menschen. Dieser Vorfall untermauerte für viele die These, dass PETA mit drastischen Aussagen vor allem Medienpräsenz generieren will. Die Washington Post kommentierte, die Forderung nach Hinrichtung sei zwar extrem, passe aber zu PETAs langer Geschichte provokativer Statements.

Wie diese Beispiele zeigen, bewegt sich PETA mit seinen Kampagnen oft am Rande des gesellschaftlich Akzeptablen – oder überschreitet diese Grenze bewusst. Die Formel dahinter scheint zu sein: maximale Empörung = maximale Aufmerksamkeit. Jeder Skandal ruft neue Schlagzeilen und Diskussionen hervor, was PETA wiederum nutzt, um seine Botschaften und seinen Namen in die Öffentlichkeit zu tragen. Doch der Preis dieser Provokationen ist hoch. Nicht nur fühlen sich viele Menschen – ob Holocaust-Überlebende, Afroamerikaner oder schlicht Zuschauer mit moralischem Empfinden – vor den Kopf gestoßen; auch inhaltlich stehen die Kampagnen in der Kritik. So monierte etwa die Süddeutsche Zeitung, dass PETA mit dem Holocaust-Vergleich die Würde der abgebildeten KZ-Opfer verletzt und deren Leiden für eigene Ziele instrumentalisiert. Selbst andere Tierschutzorganisationen distanzierten sich: Der Vegetarierbund und das Deutsche Tierhilfswerk lehnten den Slogan „Holocaust auf deinem Teller“ öffentlich ab. Ironischerweise geriet PETA also gerade mit jenen in Konflikt, die eigentlich ebenfalls Tierleid bekämpfen wollen – was die Frage aufwirft, ob solche Kampagnen dem Anliegen letztlich nutzen oder schaden.

Doppelmoral beim Tierschutz? Umgang mit Haustieren und Spendenpraxis

Nicht nur in der Außendarstellung, auch bei der praktischen Tierschutzarbeit erntet PETA global scharfe Kritik. Im Fokus steht hierbei ein scheinbarer Widerspruch: Während die Organisation lautstark das Lebensrecht von Huhn, Fisch und Elefant einfordert, soll sie zugleich im Stillen zehntausende Haustiere getötet haben. Tatsächlich belegen offizielle Dokumente aus den USA, dass PETA in ihrem Hauptquartier in Norfolk, Virginia, jährlich einen Großteil der aufgenommenen Hunde und Katzen einschläfert. Laut dem Virginia Agricultural Department tötete PETA zwischen 1998 und 2024 über 40.000 Tiere, was einer Euthanasierate von teils über 90 % entspricht. Allein 2014 wurden 2.454 von 3.369 abgegebenen Tieren in PETAs Obhut getötet – weniger als 1 % fanden ein neues Zuhause. Solche Zahlen stehen im krassen Gegensatz zu normalen Tierheimen, die in Virginia über 90 % ihrer Schützlinge erfolgreich vermitteln.

Ehemalige Mitarbeiter und Tierschützer werfen PETA deshalb Heuchelei vor: „Sie behaupten, für die Rechte der Tiere einzutreten, aber sie billigen den Tieren nicht einmal das Recht auf Leben zu“, schimpft etwa der US-Tierheimexperte Nathan Winograd. In einem vielbeachteten Beitrag für die Huffington Post prangerte Winograd 2013 an, PETA töte „selbst wenn es gar nicht nötig wäre“ und betreibe in Wahrheit ein “Haustier-Tötungsprogramm” unter dem Deckmantel der Tierliebe. Er berichtete sogar von einem eigens für PETA reservierten, begehbaren Kühlraum im Krematorium, um die hohe Zahl an Tierkadavern zu bewältigen. Eine frühere PETA-Angestellte, Heather Harper-Troje, bestätigte die Vorwürfe später und schilderte, sie sei angewiesen worden, auch gesunde, vermittelbare Tiere heimlich zu töten und die Zahlen zu schönen. Solche Aussagen ehemaliger PETA-Mitarbeiter untermauern den Vorwurf, die Organisation praktiziere intern genau das, was sie nach außen so vehement bekämpft.

PETA selbst rechtfertigt die hohe Euthanasiequote mit pragmatischen Argumenten. Man nehme primär schwer kranke, aggressive oder von anderen Heimen abgewiesene Tiere auf, für die es keine Vermittlungschancen gebe. Es sei „eine Notfallstation, kein Tierheim im üblichen Sinne“, erklärte Harald Ullmann, Vize-Chef von PETA Deutschland. Über 7 Millionen herrenlose Tiere landeten jährlich in US-Heimen; da fehle es schlicht an genügend guten Plätzen. „In unserer Gesellschaft ist es schon so weit gekommen, dass Menschen, die Tiere schützen wollen, gezwungen sind, sie zu töten“, verteidigte Ullmann die Praxis – selbst „gesunde Tiere“ müssten in letzter Instanz manchmal eingeschläfert werden. PETA-Anhänger argumentieren, ein schmerzloser Tod sei in manchen Fällen das kleinere Übel gegenüber einem Leben voller Leid oder der Einschläferung in überfüllten staatlichen Tierheimen.

Doch viele Tierschützer überzeugt diese Erklärung nicht. Sie fragen, warum PETA mit einem Jahresbudget von über 50 Millionen Dollar nicht bessere Alternativen entwickelt – etwa eigene Tierheime oder massive Vermittlungskampagnen –, statt sich scheinbar mit dem Töten abzufinden. Tabitha Frizzell Hanes vom Richmond SPCA wies darauf hin, dass andere private Heime in Virginia mit ähnlichen Ressourcen nahezu jedes Tier retten, während PETA „fast ausschließlich Tiere aufnimmt, um ihnen das Leben zu nehmen“. Dieser Gegensatz – nach außen Retter von Nerzen und Elefanten, nach innen Tod von Hund und Katze – hat PETAs Ruf erheblich beschädigt. Gerade in klassischen Tierschutzkreisen sieht man PETA inzwischen kritisch oder sogar als Bock zum Gärtner: also als Organisation, die vorgibt, die Schwachen zu schützen, tatsächlich aber ihre eigenen Schützlinge umbringt.

Hinzu kommen Zweifel an der Mittelverwendung der Non-Profit-Organisation. PETA finanziert sich fast ausschließlich über Spenden – doch fließen diese Gelder tatsächlich in den Schutz von Tieren? Zahlen legen nahe, dass ein Großteil eher ins Marketing und den Ausbau der eigenen Struktur investiert wird. So warb PETA USA im Jahr 2014 über 51 Millionen Dollar an Beiträgen und Merchandise-Einnahmen ein. Ein beträchtlicher Anteil davon floss in Kampagnen, Werbung und Verwaltung statt in konkrete Tierschutzprogramme. Dies spiegelt sich ähnlich in Deutschland wider: PETA Deutschland gab im Geschäftsjahr 2019/2020 über 10 Millionen Euro aus – doch weniger als 10 % davon wurden für direkte “karitative Tierschutz”-Projekte verwendet. Über 90 % der Mittel gingen in Öffentlichkeitsarbeit, Personalkosten, Miete und Verwaltung. „PETA wirtschaftet vor allem für sich selbst“, kommentierte kritisch das Fachportal zoos.media diese Zahlen. Tatsächlich erwirtschaftete PETA Deutschland im genannten Jahr sogar einen Überschuss von rund 600.000 €, statt das Geld zusätzlich Tieren zugutekommen zu lassen. PETA hält dagegen, man verwende bewusst einen Großteil der Ressourcen für Aufklärung und Kampagnen, da damit langfristig mehr Tierleid verhindert würde als mit individueller Tierpflege. Doch Skeptiker sehen hierin vor allem ein Geschäftsmodell, das auf Emotionen basiert: Schockierende Bilder rühren an Gewissen und Geldbeutel, während die tatsächliche Verbesserung für Tiere unklar bleibt.

Unterm Strich attestieren Beobachter PETA international eine Glaubwürdigkeitskrise. Einerseits hat die Organisation ohne Frage ein Millionenpublikum für Themen wie Pelz, Massentierhaltung oder Wildtierhandel sensibilisiert. Andererseits steht die Frage im Raum, ob PETAs Arbeitsweise – Provokation, Spendensammeln, aber kaum konkrete Schutzarbeit – nicht eher einer Tierrechts-Illusion gleicht. Diese globalen Kontroversen spiegeln sich auch auf nationaler Ebene wider, etwa in Deutschland.

Kritik an PETA in Deutschland

Auch in Deutschland ist PETA seit den 1990er Jahren aktiv und zählt hier rund 20.000 Fördermitglieder. Die hiesige Sektion organisiert regelmäßig medienwirksame Aktionen: Demonstranten in Tierkostümen vor Zirkuszelten, Vegan-Banner an Autobahnbrücken, Anzeigen gegen Zoo-Direktoren oder Jäger – PETA Deutschland versteht es, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Doch ebenso versteht es die Organisation, sich Kritik zuzuziehen – sowohl von Seiten der Behörden und Gerichte als auch aus der Tierschutzszene selbst.

Provokation in Deutschland: Kampagnen und ihre Wirkung

PETA Deutschland übernahm 2004 die eingangs erwähnte „Holocaust auf deinem Teller“-Kampagne von der US-Mutterorganisation – stieß hierzulande jedoch sofort auf juristische Grenzen. Nach Beschwerden des Zentralrats der Juden erließen deutsche Gerichte umgehend einstweilige Verfügungen gegen die Plakataktion. Schließlich bestätigte das Bundesverfassungsgericht 2009 das Verbot endgültig: Die Kampagne stelle eine „Bagatellisierung und Banalisierung“ des Holocaust dar und verletze die Menschenwürde, so die Karlsruher Richter. Damit war klar, dass PETAs Tabubruch-Strategie in Deutschland nicht ohne Weiteres toleriert wird. PETA reagierte damals mit Unverständnis. Man habe niemals den Holocaust verharmlosen wollen, beteuerte PETA-Deutschland-Chef Harald Ullmann; die Kritiker würden das Anliegen missverstehen. Doch die öffentliche Empörung war nicht zu beschwichtigen. Medien vom Stern bis zur Welt berichteten kritisch, Politiker und Holocaust-Überlebende zeigten sich empört. Fortan haftete PETA hierzulande der Ruf an, im Zweifel selbst vor pietätlosen Vergleichen nicht zurückzuschrecken – was viel Vertrauen kostete.

Auch jenseits dieses Extrembeispiels fährt PETA Deutschland eine Linie der konfrontativen Kampagnen. Regelmäßig stellt die Organisation Strafanzeigen wegen angeblicher Tierquälerei – gegen Zirkusbetriebe, Bauernhöfe, Angelvereine oder Fernsehshows. Diese Anzeigen erlangen zwar Öffentlichkeit, führen aber selten zu juristischen Erfolgen. Kritiker werten sie als PR-Aktionen, die Justiz und Unternehmen beschäftigen, ohne strukturell etwas für den Artenschutz zu bewirken. Ein Beispiel ist PETAs jährliche Sommer-Offensive gegen die TV-Show „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“, bei der in ekligen Dschungelprüfungen Insekten und andere Kleintiere sterben. PETA erstattet regelmäßig Anzeige gegen die Macher wegen Tierquälerei – die Verfahren werden ebenso regelmäßig eingestellt, da Wirbellose laut Tierschutzgesetz gar nicht unter das Quälverbot fallen. Ähnlich verhält es sich mit PETAs Feldzug gegen die Hobbyjagd: Medial lautstark fordert PETA ein Verbot der Jagd auf Wildtiere und prangert einzelne Jäger an, doch Naturschützer wenden ein, dass ein gewisses Wildtiermanagement zum Artenschutz nötig sei. Durch solche stark vereinfachenden Forderungen isoliert sich PETA mitunter sogar von Naturschutzverbänden.

PETA Deutschlands Aktionen generieren zwar erhebliches Medienecho – etwa wenn halbnackte Aktivistinnen in Berlin als „Fleisch“ auf Tellern posieren oder Protestierende in Tierkostümen durch Innenstädte ziehen –, doch deren tatsächliche Wirkung wird zunehmend in Frage gestellt. Oft verpufft die Aufmerksamkeit, ohne dass sich an den Verhältnissen etwas ändert. So stellt etwa Gerati.de (das Portal, auf dem Sie diesen Artikel lesen) die Frage, ob PETA durch symbolträchtige Wildtier-Kampagnen tatsächlich ein einziges Wildtierleben gerettet oder ein Habitat gesichert hat, oder ob es primär um die Show geht. Ein nachhaltiger Artenschutz erfordert meist geduldige politische Arbeit, ökologische Expertise und Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren – Bereiche, in denen PETA bislang kaum in Erscheinung tritt. Stattdessen setzt man lieber auf den nächsten Slogan oder Skandal, kritisieren deutsche Tierschützer.

Gegenwind aus der Tierschutzszene und Glaubwürdigkeitsprobleme

Interessanterweise erfährt PETA Deutschland die härteste Kritik nicht von „Tiernutzer“-Lobbyisten allein, sondern auch aus der Tierschutzbewegung selbst. Viele klassische Tierschützer – etwa Tierheimleiter, Tierschutzvereine oder der Deutsche Tierschutzbund – betrachten PETA mit Skepsis. Sie werfen der Organisation vor, den Begriff Tierschutz zu kapern, ohne dessen praktische Verantwortung zu übernehmen. So liegt PETA Deutschland ausgerechnet mit Teilen der hiesigen Tierschützer im Clinch.

Der Kern des Vorwurfs wurde von PETA interessanterweise selbst auf den Punkt gebracht. In einer Antwort auf einen kritischen Stern-Artikel zeigte sich ein PETA-Funktionär erstaunlich offen: „Wir machen gar keinen Tierschutz… Wir arbeiten für Tierrechte. Das ist was anderes.“. Diese Aussage stammt von Hendrik Thiele, einem PETA-Manager, im Jahr 2017 – und schlug ein wie eine Bombe. Thiele machte klar, dass PETA bewusst nicht den Weg des traditionellen Tierschutzes geht, der Tiere als zu schützende Objekte betrachtet, sondern einen ideologischen Ansatz verfolgt, der Tiere als Subjekte mit eigenen Rechten sieht. „Wir fordern nicht größere Käfige, sondern deren Abschaffung“, so Thiele weiter. Mit anderen Worten: PETA will keine Kompromisse wie bessere Haltungsbedingungen, sondern die völlige Befreiung der Tiere von menschlicher Nutzung.

Diese philosophische Haltung mag konsequent erscheinen, hat aber in der Praxis zwei problematische Konsequenzen: Erstens verweigert PETA sich vielen Verbesserungen, die innerhalb des Systems möglich wären – sei es die Aufstockung von Wildschutzgebieten, die Auswilderung von Zootieren oder strengere Haltungsauflagen. Alles, was nicht die sofortige totale Befreiung bringt, gilt als unzureichend. Zweitens erscheint es widersprüchlich, wenn PETA einerseits keine klassischen Tierschutzaufgaben übernimmt, andererseits aber die Privilegien eines Tierschutzvereins in Anspruch nehmen möchte. Genau dies wurde PETA in Deutschland zum Verhängnis: In Bundesländern wie Baden-Württemberg beantragte PETA die Anerkennung als gemeinnützige Tierschutzorganisation mit Verbandsklagerecht, um im Namen der Tiere vor Gericht ziehen zu können. Doch die Behörden verweigerten die Anerkennung – PETA erfülle die Voraussetzungen nicht.

Das Regierungspräsidium Stuttgart stellte fest, PETA fördere laut eigener Satzung gar nicht vorwiegend die Ziele des Tierschutzes im Sinne des Gesetzes. Außerdem bemängelten die Behörden die demokratische Legitimation: PETA Deutschland hat zwar etwa 22.000 Fördermitglieder, aber nur 7 stimmberechtigte Mitglieder im Verein. Diese kleine, interne Führungsriege steuert die Organisation zentralistisch – im Unterschied zu klassischen Tierschutzvereinen, die oft einen basisdemokratischen Aufbau haben. Mit dieser Begründung wiesen Gerichte bis hin zum Bundesverwaltungsgericht PETAs Klagen ab: Kein Verbandsklagerecht für PETA in Baden-Württemberg. PETA protestierte und zog sogar vor den Verfassungsgerichtshof des Landes, bislang ohne Erfolg. Für die Organisation ein empfindlicher Rückschlag, wollte man doch die eigenen Kampagnen mit Klagerechten untermauern. Für Kritiker hingegen eine Bestätigung: PETA sei eben kein echter Tierschutzverein, sondern eine Aktivismus-NGO mit eigener Agenda.

Auch finanziell gerät PETA Deutschland in der hiesigen Tierschutzszene unter Druck. Die Frage „Wo bleiben die Spenden?“ wird immer lauter. Ein Blick in PETAs Geschäftsberichte nährt Zweifel an der Gemeinnützigkeit: Wie bereits erwähnt, flossen 2019/20 nur rund 8 % der Ausgaben in tatsächliche Tierschutz-Projekte, weit über 90 % in Personal, PR und Verwaltung. Schon 2013 hatte Harald Ullmann offen eingestanden: „Für karitativen Tierschutz verwenden wir nur einen kleinen Teil, ungefähr zehn Prozent.“. Diese Transparenz ehrt ihn zwar, doch sie unterstreicht gleichzeitig das ungute Gefühl vieler Tierfreunde, dass PETA mehr an der Aufmerksamkeitsökonomie interessiert ist als am Hilfetelefon für den örtlichen Igel.

Die Kritik aus der Tierschutzszene reicht bisweilen an Fundamentales. So monieren einige, PETA vertrete letztlich eine misanthropische Einstellung, in der Tierwohl über Menschenwohl stehe – was sich etwa in den geschmacklosen Holocaust-Vergleichen oder den Tiraden gegen „Tiernutzer“ zeige. Micky Beisenherz, der eingangs zitierte Kolumnist, spottete, PETA sei das „Benetton der Zoophilie“ – immer auf der Suche nach dem nächsten krassen Schocker. Er beobachtete süffisant, dass manche radikale Tierfreunde im Netz einerseits wütend mehr Tierschutz fordern, kurz darauf aber wüst gegen Flüchtlinge hetzen – eine unheilige Allianz von Tierliebe und Menschenhass, die auch PETA nicht fremd sei. Zwar mag dies polemisch überspitzt sein, doch der Imageschaden ist real: PETA steht zunehmend isoliert da. Traditionsvereine, Zoos und Naturschützer arbeiten eher miteinander – PETA hingegen gegen alle.

Rechtliche Auseinandersetzungen: Zwischen Gerichtssaal und PR-Show

PETA Deutschlands Wirken spielt sich häufig auch vor Gericht ab, doch nicht immer mit dem gewünschten Ergebnis. Einige Beispiele:

  • PETA verklagte 2014 einen bayrischen Anglerverband wegen des „Fischereiverbrechens“, indem sie dem Vereinsvorsitzenden unterstellte, Angeln sei per se Tierquälerei. Das Verfahren wurde eingestellt, da Angeln als zulässige Hege angesehen wird. Dennoch erreichte PETA das Ziel, eine öffentliche Debatte über „Catch and Release“ (Zurückwerfen gefangener Fische) loszutreten.

  • 2015 versuchte PETA, den Affen „Naruto“ zum juristischen Urheber seines berühmten Selfie-Fotos erklären zu lassen, um daraus Tierrechte abzuleiten. Dieser skurrile Prozess – formal von PETA im Namen des Affen geführt – scheiterte vor einem US-Gericht. In Deutschland sorgte der Fall für Kopfschütteln; der Kolumnist Beisenherz witzelte darüber, wann PETA den ersten Schimpansen wegen Kannibalismus vor Gericht stellen wolle. PETAs umfangreiche Prozesskosten in diesem Fall – die dem betroffenen Fotografen finanziell ruinieren halfen – hätten nach Beisenherz’ Meinung „in etwas Sinnvolleres wie Tierschutz investiert“ werden sollen. Genau diese Kritik führte PETA-Mann Thiele zu seinem entwaffnenden „Wir machen gar keinen Tierschutz“-Geständnis.

  • PETA selbst sieht sich gelegentlich Klagen ausgesetzt. So musste die Organisation lernen, dass Meinungsfreiheit Grenzen hat, wenn sie z.B. Landwirte anprangert. Ein Landwirt klagte erfolgreich gegen PETA, das ihn in einer Kampagne indirekt als Tierquäler dargestellt hatte, obwohl keine Verurteilung vorlag – das Gericht untersagte PETA diese Form der Vorverurteilung. Solche Niederlagen zwangen PETA in Einzelfällen zu öffentlichen Gegendarstellungen oder zum Rückzug von Behauptungen.

All diese Auseinandersetzungen zeigen ein Muster: PETA sucht den juristischen und öffentlichen Konflikt als Teil ihrer Strategie. Mal dient er der Sache (wenn etwa Missstände tatsächlich aufgedeckt werden), mal scheint er Selbstzweck zu sein (wenn komplexe Rechtsfragen wie Urheberrechte eines Affen bemüht werden). Für den nachhaltigen Wildtier- und Artenschutz in Deutschland sind diese Prozesse jedoch meist wenig förderlich. Kein Tiger bekommt mehr Lebensraum, kein Luchsbestand erholt sich, nur weil PETA vor Gericht zieht. Hier drängt sich erneut der Vorwurf der Tierrechtsillusion auf: eine spektakuläre Show, die den Eindruck erweckt, es passiere viel für die Tiere – während draußen im Wald die Probleme ungelöst bleiben.

Fazit

Die Bilanz fällt kritisch aus: PETA ist ohne Zweifel ein Meister der Inszenierung, doch ob die Wildtiere und Arten davon profitieren, bleibt fraglich. Öffentliche Kampagnen wie gegen Pelzjagd, Zirkuselefanten oder Jagdtrophäen haben Bewusstsein geschaffen – aber PETA scheut oft die nächste Konsequenz. Kein Schutzprogramm für Nashörner in Afrika, keine Auswilderungsstation für gerettete Zirkustiere, kein Beitrag zur Rettung bedrohter Arten vor Ort – in all diesen klassischen Artenschutzfeldern sucht man PETA vergebens. Stattdessen verlässt sich die Organisation auf die Macht der Bilder und Skandale, die freilich vorübergehend ist.

PETA selbst würde entgegnen, man habe den Diskurs verändert: Heute diskutieren breite Bevölkerungsschichten über Tierethik, Massentierhaltung oder Wildtierhaltung, was ohne die Provokationen so nicht der Fall wäre. Das mag stimmen – doch Diskurs allein rettet keine Art vorm Aussterben. Während andere Naturschutzorganisationen mit Ranger-Patrouillen, Zuchtprogrammen oder Landkauf konkrete Erfolge vorweisen, bleibt PETA in diesem Bereich Antworten schuldig. Im Gegenteil zeigt die interne Praxis (Stichwort Haustiertötungen) und Finanzgebarung, dass nachhaltiger Tierschutz offenbar nicht oberste Priorität hat.

Am Ende steht die Frage im Raum: Artenschutz oder Tierrechtsillusion? Wahrscheinlich liegt die Wahrheit – wie so oft – irgendwo dazwischen. PETA hat unbestreitbar Verdienste, wenn es darum geht, Missstände ans Licht zu zerren und moralische Debatten anzustoßen. Doch wer jenseits der Kampagnen-Illusion genauer hinschaut, erkennt eine Doppelmoral: Lautstarker Einsatz für Wildtiere in der Theorie, aber wenig substanzielle Hilfe in der Praxis. Für Tierfreunde und Spender ergibt sich daraus eine wichtige Erkenntnis: Nicht jede flammende Kampagne bedeutet auch effektiven Schutz der Tiere. Manchmal ist es eben leichter, ein Plakat hochzuhalten, als einen Lebensraum zu sichern.

Ob PETA diesen Widerspruch in Zukunft auflösen kann, wird sich zeigen müssen. An Aufmerksamkeit mangelt es der Organisation nicht – nun müsste sie beweisen, dass sie diese auch in greifenden Artenschutz ummünzen kann. Andernfalls bleibt PETA, was Kritiker schon jetzt attestieren: vor allem eines der erfolgreichsten Fundraising-Unternehmen im Namen der Tiere, jedoch kein klassischer Tierschutz.

Quellen:

  • Zoos.Media – PETA gibt über 10 Millionen Euro aus – wofür? – https://zoos.media/medien-echo/peta-ueber-10-millionen-euro-wofuer
  • Wikipedia – PETA – https://de.wikipedia.org/wiki/PETA
  • WELT – Der Holocaust auf deinem Teller – https://www.welt.de/print-welt/article257401/Der-Holocaust-auf-deinem-Teller.html
  • TAZ – Verbot von Petas Holocaustvergleich: Masttiere sind keine KZ-Häftlinge – https://taz.de/Verbot-von-Petas-Holocaustvergleich/!5079945/
  • PETA – Kritik an PETA: Stellungnahmen zu den häufigsten Vorwürfen – https://www.peta.de/faq/kritik/
  • TIME – PETA Cecil The Lion Walter Palmer: Animal Rights Groups Respond – https://time.com/3976578/peta-cecil-lion/
  • Süddeutsche Zeitung – Vorwürfe gegen Tierrechtsorganisation – Peta tötete Zehntausende Tiere – https://www.sueddeutsche.de/panorama/vorwuerfe-gegen-tierrechtsorganisation-peta-toetete-zehntausende-tiere-1.1641764
  • GERATI – PeTA 2016 – Null Euro für den Tierschutz – https://gerati.de/2017/08/08/peta-2016-null-euro-fuer-den-tierschutz/
  • GERATI – Schockierende Enthüllungen: 5 kritische Fakten über PETA und seine Finanzpraktiken und Strukturen – https://gerati.de/2024/05/20/5-kritische-fakten-ueber-peta/
  • GERATI – Peta tötet Tiere – https://gerati.de/peta-toetet-tiere/
  • Certifiedhumane – Does PETA have the right to determine what’s “humane” considering their view on animals? – https://certifiedhumane.org/does-peta-have-the-right-to-determine-whats-humane-considering-their-view-on-animals/
  • FOKUS – „Sind gezwungen, Tiere zu töten“: Peta-Chef rechtfertigt die Ermordung Tausender Tiere – https://www.focus.de/panorama/welt/sind-gezwungen-tiere-zu-toeten-peta-chef-rechtfertigt-die-ermordung-tausender-tiere_id_3431818.html
  • Top Agrar – Auch Bundesverwaltungsgericht verwehrt PETA das Verbandsklagerecht – https://www.topagrar.com/jagd-und-wald/news/auch-bundesverwaltungsgericht-verwehrt-peta-das-verbandsklagerecht-12745904.html
  • Kunstform – Im Zoo der Kunst II – https://www.kunstforum.de/artikel/xi-bedeutungslehren/
  • The Jerusalem Post – German court rules PETA Holocaust ad offensive – https://www.jpost.com/international/german-court-rules-peta-holocaust-ad-offensive-137280
  • Researchgate – Metaphorizing the Holocaust: The Ethics of Comparison – https://www.researchgate.net/publication/277243877_Metaphorizing_the_Holocaust_The_Ethics_of_Comparison
  • Zoos.Media – PETA: „Wir machen gar keinen Tierschutz“ – https://zoos.media/medien-echo/peta-wir-machen-gar-keinen-tierschutz/
  • Landesbauernverband in Baden-Würtemberg e.V. – Keine Anerkennung von ‚Peta‘ im Rahmen der Verbandsklage im Tierschutz – https://www.lbv-bw.de/presse/keine-anerkennung-von-peta-im-rahmen-der-verbandsklage-im-tierschutz,QUlEPTUzOTYyNzImTUlEPTE3NTU1MA.html
  • PETA – PETA ruft den Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg an und reicht Verfassungsbeschwerde ein – https://presseportal.peta.de/peta-ruft-den-verfassungsgerichtshof-baden-wuerttemberg-an-und-reicht-verfassungsbeschwerde-ein/
  • Stern – Post von Beisi: „Liebe PETA…“ – https://www.stern.de/kultur/micky-beisenherz/micky-beisenherz-rechnet-mit-der-tierschutzorganisation-peta-ab-7565590.html

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