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Ein bemerkenswerter Fall illegalen Wildtierhandels sorgt derzeit in Japan für Aufsehen: Drei chinesische Männer wurden auf der subtropischen Insel Amami festgenommen, nachdem das Hotelpersonal beim Einlagern ihres Gepäcks ein verdächtiges Rascheln aus ihren Koffern hörte. Der Grund: Rund 160 Kilogramm lebende Einsiedlerkrebse befanden sich in den insgesamt sechs Koffern. Der Vorfall lenkt den Blick auf den florierenden Schwarzmarkt für exotische Tiere – ein lukratives Geschäft, das zunehmend die Aufmerksamkeit von Behörden und Umweltschützern auf sich zieht. Die Entdeckung verdeutlicht einmal mehr, wie international vernetzt und skrupellos das Geschäft mit bedrohten Arten ist.
Einsiedlerkrebse als nationale Schätze: Japans Schutzstatus
In Japan gelten bestimmte Einsiedlerkrebsarten, insbesondere die auf den Amami-Inseln beheimateten Arten, als nationale Naturdenkmäler. Sie stehen unter besonderem Schutz, und sowohl das Sammeln als auch der Export dieser Tiere ist strengstens verboten – es sei denn, eine ausdrückliche Genehmigung liegt vor. Die drei Verdächtigen, namentlich Liao Zhibin, Song Zhenhao und Guo Jiawei, hatten keinerlei derartige Genehmigung vorzuweisen.
Diese Einsiedlerkrebse, deren Lebensraum durch menschliche Eingriffe, Bebauung und Umweltveränderungen zunehmend bedroht ist, spielen eine entscheidende Rolle im Ökosystem der Inseln: Als sogenannte „Recyclinghelfer“ zersetzen sie abgestorbene organische Materialien wie Blätter oder Tierkadaver und tragen damit zur natürlichen Bodenpflege bei. Ihr massenhaftes Entfernen könnte daher nicht nur rechtliche, sondern auch erhebliche ökologische Konsequenzen haben. Eine Verarmung der Biodiversität, das Ungleichgewicht natürlicher Kreisläufe und langfristige Schäden an sensiblen Lebensräumen wären mögliche Folgen. Laut Angaben des Umweltministeriums wurden in den letzten Jahren bereits mehrere Maßnahmen ergriffen, um die Populationen zu überwachen und zu schützen.
Der Tathergang: Aufgeflogen durch raschelndes Gepäck
Der Schmuggelversuch kam ans Licht, als Hotelmitarbeiter beim Einlagern des Gepäcks merkwürdige Geräusche aus den Koffern der drei Gäste bemerkten. Das leise Rascheln und Krabbeln war für die Angestellten verdächtig genug, um die Polizei zu verständigen. Zwei der Männer kehrten später zum Hotel zurück, vermutlich um ihre Koffer abzuholen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Beamten bereits vor Ort. Beim Öffnen der Gepäckstücke offenbarte sich das ganze Ausmaß der Tat: Tausende von Einsiedlerkrebsen, lebendig und dicht an dicht in Plastikkisten und Behältnissen verstaut.
Der dritte Verdächtige wurde kurze Zeit später mit weiteren Koffern voller Tiere gestellt. Die Tiere waren nicht nur in winzigen Behältern untergebracht, sondern litten offensichtlich unter mangelnder Belüftung, Feuchtigkeit und Sauerstoff. Viele der Krebse waren bereits geschwächt oder bewegten sich kaum noch. Wie viele von ihnen überlebt haben, ist derzeit unklar. Experten zufolge kann selbst ein kurzer Transport ohne entsprechende klimatische Bedingungen für diese Tiere tödlich enden.
Motivation: Kommerz, Haustiermarkt oder Delikatesse?
Weshalb jemand auf die Idee kommt, eine derartige Menge Einsiedlerkrebse zu schmuggeln, bleibt bislang Spekulation. In China erfreuen sich diese Tiere zunehmender Beliebtheit als Haustiere. In speziell eingerichteten „Krebs-Terrarien“ werden sie dort mit bunten Häuschen, lackierten Schneckenhäusern und exotischen Deko-Artikeln zur Schau gestellt. Auf dem Schwarzmarkt lassen sich bestimmte Arten für umgerechnet bis zu 20.000 Yen (ca. 137 US-Dollar) pro Tier verkaufen.
Ob die Krebse auch für kulinarische Zwecke bestimmt waren, ist nicht abschließend geklärt. Auch wenn Einsiedlerkrebse als Speise kaum verbreitet sind, gibt es Berichte über ihren Verzehr in Teilen Südostasiens, vor allem in ländlichen oder küstennahen Gebieten. Möglicherweise handelt es sich bei derartigen Fällen jedoch eher um Notnahrung oder regionale Spezialitäten.
Der illegale Wildtierhandel boomt
Dieser Fall ist kein Einzelfall. Weltweit boomt der illegale Handel mit exotischen Tieren, und Asien gilt als einer der Hauptumschlagplätze. Schlangen, Schildkröten, tropische Vögel, sogar Insekten und Spinnen sind heiße Ware auf dem Schwarzmarkt. Der Reiz: Exklusivität, Prestige und vor allem ein lukrativer Profit für Schmuggler, Zwischenhändler und Händler im Endmarkt.
Tierschutzorganisationen weisen immer wieder darauf hin, dass dieser Handel nicht nur Tierarten gefährdet, sondern auch Tierleid in einem kaum vorstellbaren Ausmaß verursacht. Die Tiere werden in beengten, oft dunklen und unhygienischen Behältnissen transportiert, ohne ausreichende Nahrung oder Wasserzufuhr. Viele überleben die Reise nicht oder kommen in einem Zustand an, der ein weiteres Leben unmöglich macht. Der illegale Wildtierhandel ist dabei oft eng verwoben mit anderen Formen der organisierten Kriminalität wie Drogenhandel, Geldwäsche oder Korruption. Experten warnen, dass ohne grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden kaum Fortschritte zu erzielen sind.
Fazit: Ein Fall mit Signalwirkung
Dass aufmerksames Hotelpersonal und eine schnelle Reaktion der Behörden diesen Schmuggelversuch vereiteln konnten, ist glücklichen Umständen zu verdanken. Der Fall zeigt jedoch, wie kreativ und skrupellos Schmuggler vorgehen, um Profit auf Kosten von Tierwohl und Naturschutz zu erzielen. Es handelt sich nicht um einen „dummen Jungenstreich“, sondern um einen gezielten Eingriff in ein sensibles Ökosystem, motiviert durch Gier und die Hoffnung auf schnelles Geld.
Einmal mehr wird deutlich: Der Kampf gegen den illegalen Wildtierhandel braucht mehr als nur Gesetze. Es braucht effektive Kontrollen an Flughäfen, Häfen und Grenzübergängen. Es braucht internationale Zusammenarbeit, Informationsaustausch und Sensibilisierung der Bevölkerung für die Bedeutung von Artenschutz. Die Politik muss konsequenter handeln und Artenschutz als sicherheitsrelevantes Thema begreifen. Und es braucht Menschen, die hinsehen und handeln, wenn sie Ungereimtheiten bemerken. In diesem Sinne: Danke, liebes Hotelpersonal von Amami – Ihr Mut und Ihre Aufmerksamkeit haben womöglich ein kleines Ökosystem gerettet.
Quellen
- BBC – Three men held over suitcases stuffed with hermit crabs – https://www.bbc.com/news/articles/cn053d5ygy7o
- GERATI – Illegale Importe von Reptilien in Deutschland ein zentrales Problem? – https://gerati.de/2018/10/02/illegale-importe-von-reptilien-in-deutschland-ein-zentrales-problem/